Take home message
- Kefir die stammt aus Knollen, kann jedoch in der Zusammensetzung der Mikroorganismen stark variieren.
- Was Kefir zu Kefir macht, ist das Vorhandensein von milchsäuernden und laktosegärenden Bakterien in einer Vielzahl von Bakterienstämmen, ergänzt durch geringe Mengen von Hefen und Pilzen. Es dominiert Lactococcus lactis.
Kefirkörner (= Kefirpflanze = SCOBY) findet man überall auf der Welt, aber gibt es Unterschiede? Die Milchindustrie hat Kefir in den letzten 10 Jahren entdeckt und man kann Kefir überall im Supermarkt kaufen. Das Wort Kefir ist nicht geschützt, und das merkt man, wenn man sich die Artenzusammensetzung von Kefir ansieht.
Irischen Forscher (Walsh et al., 2023) wollten wissen, ob es eine Art Pan-Genom all dieser Körner gibt, was eine weitere Frage für „was macht Kefir zu Kefir“ ist. Gibt es etwas Übergreifendes in der Zusammensetzung (oder Funktionalität) von Kefir? Aus vielen Teilen der Welt wurden 64 verschiedene Körner gesammelt. In pasteurisierter Vollmilch von Kühe wurde aus allen Körnern auf die gleiche Weise Trinkkefir hergestellt. Es wurde untersucht, ob sich die Kefirs in ihrer Zusammensetzung unterschieden.
Kefir Genom und Kefir-Funktionalität
Insgesamt wurden 46 verschiedene Arten von Bakterien und Pilzen gefunden. Die 64 verschiedenen Kefirgetränke aus 25 Ländern lassen sich auf vier Hauptgruppen (Cluster) reduzieren. Die regionale Herkunft der Körner stimmt übrigens nicht mit dieser Cluster-Einteilung überein. Vier Bakteriensorten kennzeichnen alle Kefire, kommen aber in unterschiedlichen Konzentrationen vor. Daher lässt sich der „Weltkefir“ in vier Untergruppen aufteilen (Abb. 1). Kefir besteht hauptsächlich aus Milchsäurebakterien, meist Lactococcus lactis-Stämme, manchmal auch Cremoris-Stämme von Lactococcus lactis. In Cluster-1 dominiert L.lactis ssp lactis, in Cluster-2 L.lactis ssp cremoris. Beide Milchsäurebakterienarten gehören somit zum Kernmikrobiom von Kefirgetränken. In geringerem Maße dominieren andere Arten, wie Lactobacillus kefiranofaciens, ein typisches Bakterium, das in den Körnern selbst dominiert, oder auch L.helveticus. Kefir ist also hauptsächlich durch eine Bakteriensuppe gekennzeichnet, aber auch Hefen und Pilze wie Saccharomyces- und Kluyveromyces-Arten sind in Kefir enthalten, wenn auch in geringen Konzentrationen (siehe Tabelle 1).
![](https://www.milkandhealth.com/wp-content/uploads/2025/02/2023.Walsh_4-groups-of-bacteria-1024x493.png)
Abb. 1. Aus der Clusteranalyse ergeben sich vier Gruppen, in denen eine bestimmte Art oder Stamm dominiert. Dabei handelt es sich um Unterschiede in der Dominanz; alle Arten zusammen bilden den Kern der typischen Kefir-Getränke (entnommen aus Walsh et al., 2023).
Die Unterschiede in der Zusammensetzung der untersuchten Kefirproben sind groß (Tabelle 1). Das gewöhnliche Milchsäurebakterium Lactococcus lactis ist im Durchschnitt die dominanteste Bakterienart (63,9 %), allerdings mit einer großen Streuung (von 0,3 bis 96,5 %), gefolgt mit großem Abstand von Lactobacillus helveticus (8,2 %). Das typische Bakterium Lactobacillus kefiranofaciens, das für den Aufbau des Skeletts der Knollen verantwortlich ist, ist mit 5,2 % ebenfalls in Kefirgetränken vertreten. Pilze und Hefen machen nur einen sehr kleinen Teil der Kefirkomposition aus. Die Arten kommen alle unter 0,5 % vor, aber auch hier kann es große Unterschiede zwischen den Kefirs geben. Insgesamt wurden 46 Arten von Bakterien, Hefen und Pilzen gefunden. Die Zahl der Stämme ist noch um ein Vielfaches höher.
Tabelle 1. Mittlere, minimale und maximale Verteilung (%) von Bakterienarten und Hefen/Pilzen in Kefir aus Körnern aus aller Welt (nach Walsh et al., 2023). (Bakterienarten unter 1 % sind nicht dargestellt, alle Pilze sind enthalten).
Species | Mittelwert | Minimum | Maximum |
Bacteria | % | % | % |
Lactococcus lactis | 63.9 | 0.3 | 96.5 |
Lactobacillus helveticus | 8.2 | 0.0 | 77.0 |
Lactobacillus kefiranofaciens | 5.2 | 0.0 | 57.6 |
Lactococcus garvieae | 2.0 | 0.0 | 8.9 |
Leuconostoc mesenteroides | 1.9 | 0.0 | 84.6 |
Pseudomonas helleri | 1.8 | 0.0 | 60.1 |
Acetobacter fabarum | 1.6 | 0.0 | 29.0 |
Streptococcus thermophilus | 1.0 | 0.0 | 31.2 |
Acetobacter cibinongensis | 1.0 | 0.0 | 13.5 |
Lentilactobacillus kefiri | 1.0 | 0.0 | 24.7 |
Fungi | |||
Bacillus licheniformis | 0.2 | 0.0 | 1.9 |
Saccharomyces cerevisiae | 0.1 | 0.0 | 6.0 |
Kluyveromyces marxianus | 0.1 | 0.0 | 4.9 |
Bacillus mycoides | 0.1 | 0.0 | 14.9 |
Saccharomyces eubayanus | 0.0 | 0.0 | 1.1 |
Die Stämme bestimmen letztlich die genetischen Unterschiede in der Funktionalität. Milchsäurebakterien produzieren nicht nur Milchsäure aus Milchzucker, sondern sind auch für zahlreiche andere Stoffwechselprodukte verantwortlich, unter anderem für den Abbau von Eiweiß zu bioaktiven Peptiden, die wir auch unter dem Begriff Postbiotika kennen. Der Stoffwechsel kann von Stamm zu Stamm variieren. Es gibt Unterschiede zwischen den Clustern, zum Beispiel welche Fettsäuren produziert werden oder wie viel Vitamin K2 produziert wird.
Man kann nun auch die Auf- und Abbaukette bestimmter Stoffe verstehen. Das Kernmikrobiom eines jeden Kefirs vereint mehr als 50 solcher Auf- und Abbauprozesse, die für jedes Kefirgetränk typisch sind. Was die Wirkung betrifft, so ist unter anderem klar, dass Kefir einen Einfluss auf den Blutdruck oder die Immunologie hat. Aufgrund der unterschiedlichen Herkunft der Körner gibt es aber auch Stoffe, die zu bestimmten Arten oder Stämmen gehören. Es wurden über 200 weitere Stoffwechselprodukte nachgewiesen, die einen Kefir von einem anderen in Geruch, Geschmack oder Wirkung unterscheiden. Nicht jeder Kefir (aus Körnern) ergibt also genau das gleiche Ergebnis; es kommt auf das Gesamtpaket der in den Körnern vorhandenen Bakterienarten, Stämme, Hefen und Schimmelpilze an.
Kefir in die Niederlanden
Neben Kefir aus Körnern wird Kefir natürlich auch in großem Maßstab mit selektierten Bakterien und Pilzen hergestellt: sogenannte gefriergetrocknete Starterkulturen. Vergleichende Untersuchungen über die Zusammensetzung von Bakterien und Pilzen zeigen Unterschiede zwischen den auf dem niederländischen Markt angebotenen Kefirsorten (Tabelle 2). Alle fünf Kefirsorten enthalten Bakterien und Pilze. Was die Bakterien betrifft, so sind Lactococcus lactis (Stämme) logischerweise überall vorhanden, ob zusammen mit Streptococcus thermophilus oder nicht. Bei den Pilzen sind die Unterschiede größer. Dabei kann man davon ausgehen, dass das, was in der Starterkultur (gefriergetrocknet oder nicht) zu finden ist, auch im Endprodukt auftaucht. Die Bier- oder Bäckerhefe Saccharomyces cervisiae findet sich in pasteurisiertem Kefir, oder auch Debaromyces. Bei Debaromyces handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Debaromyces hansenii, einen der vielen Pilze, die seit den 1920er Jahren beschrieben wurden und weltweit in Starterkulturen für fermentierte Milchprodukte verwendet werden.
Rohmilchkefir aus einem kommerziellen Starter (Nr. 4) enthält in diesem Fall Debaromyces, während der Kefir aus Knollen (Nr. 5) eine andere, viel reichhaltigere Palette typischer Pilze enthält, die in traditionellem Kefir weltweit vorkommen. Es handelt sich um Arten der Gattungen Galactomyces, Kazachstania und Kluyveromyces.
Tabelle 2: Drei Bio-Kefir-Sorten aus pasteurisierter Milch (Nr. 1-3) im Vergleich zu zwei aus Rohmilch (Nr. 4-5); SC = Starterkultur, Körner = SCOBY-basiert; die relative Verteilung (%) von Bakterien und Hefen/Pilzen (Pilzen). (Quelle: eigene Daten)
Von pasteurisiertem Milch | Von Rohmilch | ||||
SC | SC | SC | SC | Körner | |
Bacteria | (1) | (2) | (3) | (4) | (5) |
Lactococcus lactis | 84.6 | 74.5 | 52.2 | 74.9 | 99.7 |
Streptococcus thermophilus | 24.2 | 27.5 | 24.2 | ||
Lactococcus | 12.7 | 0.2 | 19.2 | ||
Leuconostoc | 2.7 | 1.0 | 1.1 | 0.8 | 0.1 |
Fungi | |||||
Saccharomyces cerevisiae | 96.7 | 98.2 | 16.6 | ||
Debaryomyces | 2.1 | 0.3 | 83.3 | 84.9 | |
Pichia kudriavzevii | 11.9 | ||||
Galactomyces | 2.4 | 63.2 | |||
Kazachstania unispora | 0.9 | 19.8 | |||
Kazachstania turicensis | 9.3 | ||||
Kluyveromyces marxianus | 7.7 |
Die Tabellen 1 und 2 sind nicht vollig vergleichbar. Tabelle 1 zeigt das absolute Verhältnis aller Arten zueinander, während in Tabelle 2 die Bakterien und Pilze jeweils getrennt aufgeführt sind. Selbst bei den Kefirs in Tabelle 2 ist der absolute Anteil an Pilzen und Hefen gering.
Reifung, Gärung oder Verderber?
Hefen und Pilze der Gattungen Debaromyces, Candida, Galactomyces, Kluyveromyces oder Saccharomyces werden in der Regel als Organismen angesehen, die den „Verderb“ eines Lebensmittels verursachen. Es gibt Unterschiede in der Alkoholbildung und im Grad der Kohlensäurebildung. Die Grenze zwischen Abbau, Geschmacks- und Geruchsbildung, Umwandlung und Verderb ist nicht immer scharf. Nach der Milchsäurebildung (Milchzucker in Milchsäure) kommen die Hefen, die (unter anderem) die Milchsäure weiter abbauen und für Geschmack und Geruch sorgen, aber auch für „Nebenprodukte“, die ihre Wirkung auf unsere Gesundheit haben. Man möchte sie vielleicht nicht in abgepacktem Käse oder auf der Obstschale finden, aber im Kefir sind Hefen und Pilze wichtige, erwünschte Arten.
Literatur
- Walsh, L. H., Coakley, M., Walsh, A. M., Crispie, F., O’Toole, P. W., & Cotter, P. D. (2023). Analysis of the milk kefir pan-metagenome reveals four community types, core species, and associated metabolic pathways. Iscience, 26(10).