Take home message
- Traditionell wurde Rohmilch vor der Käseherstellung im Holzfass gereift und nachts gelagert. Der in/auf der Holzoberfläche vorhandene Bakterienfilm (Biofilme) ist die Hauptquelle für Milchsäurebakterien, deren Vielfalt den Geschmack und die Reifung des fertigen Käses sicherstellt.
- Hygienisches Melken (von Hand) und ein Käsebottich aus Holz verhindern die Entwicklung unerwünschter, zoonotischer Bakterien.
Kein Edelstahl
Alles rund um Milch und Milchverarbeitung besteht heute aus Edelstahl: Der Käsebottich, in dem die Milch verarbeitet wird, das Milchrohr, durch das die Milch gepumpt wird und sogar Teile des Melkgerätes sind aus Edelstahl. Das war ursprünglich anders, und traditionell wurde der Bauernkäse in einwandigen Wannen aus Holz hergestellt. Dies geschieht heute eher noch selten. Unter anderem ein Schafskäse aus Sizilien, aber auch ein spezieller Klosterkäse wird noch im Holzfass hergestellt. Das Besondere an dem in diesem Fall nach französischem Rezept hergestellten Käse ist, dass keine Starterkultur hinzugefügt wird, sondern eine spontane Säuerung stattfindet.
Die Milch wird von Hand gemolken, gefiltert und über Nacht gelagert. Sie wird in einem Holzfass aufbewahrt. Am nächsten Morgen wird die warme Morgenmilch hinzugefügt und die Käsemilch mit Lab dick gelegt, ohne eine heute übliche bakterielle Starterkultur zu nutzen. Dieser Prozess der Lagerung im Holzfass wird als „Milchreifung“ bezeichnet, bei der sich Bakterien in der Rohmilch in begrenztem Umfang entwickeln und vermehren können.
Woher kommen die Bakterien und Hefen,…
…. und wie vermehren sie sich in der Milch und im fertigen Käse? Und wie gefährlich ist so ein Käse in Bezug auf Hygiene und Zoonosen? Das Mikrobiologielabor von Dennis D’Amico (Connecticut, USA) sammelte fast 120 Proben von Händen, Wänden, Käsemilch, Zitzen, Stallluft, Stellen in der hölzernen Käsewanne und der Käselagerung in einer Käserei eines Nonnenklosters. Anschließend wurden verschiedene Stadien der Milch (nach dem Melken, Filtern, Lagerung im Fass, Reifung im Fass) und des Käses beprobt (Sun und D’Amico, 2021).
Über 44 Bakterienarten und -stämme und 29 Pilze wurden nach genetischer Untersuchung (DNA-Analyse) an Wänden, Händen, Holzwerkzeugen etc. gefunden. Aufgrund der Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Käsereimilch konnte bei den Milchproben eine klare Trennung in zwei Gruppen gemacht werden. Erstens, die Rohmilch direkt nach dem Melken, die Milch, die durch einen Filter (Sieb) passiert wurde, die Milch, die über Nacht gelagert wurde und die Milch zur Reifung, und zweitens die gereifte Milch zusammen mit allen danach entnommenen Proben bis einschließlich des Käses.
Bakteriologisch sieht man eine klare Grenze vor und nach der Reifung der Milch (jeweils Balken 1-4 und Balken 5-9 in Abb. 1). Der orangefarbene Balken in den letzten fünf Proben ist Lactococcus. Nach der Reifung im Holzbottich überwiegen die Milchsäurebildner: Lactococcus lactis, Lactobacillus spp. und Leuconostoc spp., Arten, die auf der Holzoberfläche des Käsebottichs zu finden sind. Innerhalb von 12 Stunden nach Kontakt mit dem Holzbottich ist die Bakterienvielfalt der Rohmilch praktisch verschwunden, reduziert auf die quantitative Dominanz von nur einigen Bakterienarten. Die günstige Reifetemperatur ist ein enormer Wachstumsreiz für die mesophilen Laktose-verdauenden Arten. Ähnliches gilt für die Pilze und Hefen, wo insbesondere Kluyveromyces– und Exophiala-Hefe nach der Reifung dominieren (nicht gezeigt).
Die Autoren zeigen dann in einem Flussdiagramm, wo die Bakterien herkommen und wie sie in den verschiedenen Schritten von Milch bis zum Käse zurückgefunden werden (Abb. 2). Anhand der grauen Strichstärken kann man schön verfolgen, wie sich der Ablauf entwickelt. Für die Flora der Rohmilch (dunkelblau) sind die wichtigsten Quellen die Hände des Melkers (43 %), die Zitzen der Kuh (27 %) und die Stallluft (11 %). Die ungereifte Milch (orange) zeigt Ähnlichkeiten mit der Rohmilch, wird aber auch von unbekannten Quellen (braun) gespeist. Die gereifte Milch (hellorange) entspricht dem, was in den Holzbottichen gefunden wurde, zusammen 99,7 % (dunkelgrün). Am auffälligsten ist, dass beim Mischen von frisch gemolkener Morgenmilch mit gereifter Abendmilch vom Vorabend der Bakterieneintrag aus der ungereiften Milch in der Mischmilch praktisch verschwindet (hellgrün); es gibt nur eine sehr dünne graue Linie von orange nach hellgrün. Im Käsebruch selbst (rot) gibt es keinen Unterschied zur bakteriellen Zusammensetzung der Mischmilch. Gleiches gilt für das 60 Tage gereifte Innere des Käses (lila oben). Nur die Rinde (lila unten) hat einen Input von den Käsebrettern, auf denen der Käse reift. Das Flussdiagramm der Schimmelpilze und Hefen sieht nicht wesentlich anders aus (nicht gezeigt).
Gefährliche, unerwünschte Bakterien?
Die gesamte Kette wurde auf das Vorhandensein unerwünschter zoonotischer Bakterien (wie Listeria monocytogenes, Shigella spp., Yersinia enterocolitica, Clostridium botulinum, Campylobacter jejuni, Salmonella spp., pathogene Escherichia coli, Koagulase-positive Staphylococcus und Bacillus cereus) getestet. Keine der Bakterien wurden irgendwo gefunden. Das ist bemerkenswert, denn das moderne Hygieneverständnis in der Käserei basiert auf glatten Oberflächen aus Edelstahl, die leicht zu reinigen sind, und vor allem ohne Holz. Die Autoren bieten zwei Erklärungen für das Fehlen dieser Bakterien an, nämlich die geringe Keimzahl der Ausgangsmilch und die Verwendung des Käsebottich aus Holz. Solche Käsereien wissen, wie man hygienisch melkt und reinigt, und erreichen so eine Keimzahl von weniger als 1000 Keimen/ml (3 log10), was auch die Erfahrung der deutschen Vorzugsmilchbetriebe (Berge und Baars, 2020) und der Raw Milk Company (De Lutte, Nl), eine Molkerei, wo täglich Kefir aus Rohmilch hergestellt wird. Studien zeigen auch, dass der sich auf Holz bildende Biofilm Schutz vor dem Wachstum unerwünschter Bakterien bietet. Sun & D’Amico (2021) bezeichnen dies als „biologischen Schutz durch die Ausscheidung antimikrobieller Substanzen“, was bedeutet, dass die Milchsäurebakterien in diesem Biofilm in starker Konkurrenz um Rohstoffe wie Laktose stehen.
Terroir
Denkt man an den Begriff Terroir (Gegend), wie er von den Franzosen verwendet wird, steht er für zwei Dinge: den spezifischen Charakter des heimischen, lokalen Produktes und das Gleichgewicht in der mikrobiellen Welt, in der sich keine schädlichen Bakterien entwickeln können. Offenbar beinhaltet diese traditionelle Zubereitungsart alle Eigenschaften eines Terroirs, wobei das Ökosystem der Milchsäurebakterien, die sich im Holz etabliert haben, ein wichtiger Ansatzpunkt ist. Diese bestimmen nicht nur Geruch und Geschmack des Endprodukts, sondern sorgen auch dafür, dass keine Zoonosen in den Käse gelangen. Zoonotische Bakterien werden durch die im Holz anwesenden Milchsäurebakterien unterdrückt.
Literatur
- Sun, L., & D’Amico, D. J. (2021). Composition, Succession, and Source Tracking of Microbial Communities throughout the Traditional Production of a Farmstead Cheese. Msystems, 6(5), e00830-21.