Rohmilch wird nicht wärmer als 37-38 Grad Celsius, also Körpertemperatur. Pasteurisierte Milch hingegen wird auf 72 bis 80 Grad erhitzt. Dadurch verändert sich Einiges, besonders hinsichtlich der Struktur der Eiweiße und der bakteriellen Zusammensetzung der Milch. Weiteres hängt von Temperatur und Dauer der Pasteurisierung ab. Grob gesagt: je länger und stärker die Milch im Bereich zwischen 40 und 80 Grad erhitzt wird, desto mehr Veränderungen finden statt. Bakterien und mögliche Krankheitskeime werden abgetötet, Enzymsysteme lahmgelegt und Proteine nach und nach denaturiert. Darüber hinaus können neue, unerwünschte molekulare Strukturen entstehen, welche eine spezifische Immunantwort auslösen, die wir als Milchallergie erleben. Die im Milcheiweiß enthaltenen Molkenproteine sind sehr hitzeempfindlich, d.h. ihre dreidimensionale Struktur verändert sich durch die Erhitzung sehr.
Im Zuge der Pasteurisierung werden Bakterien abgetötet, verschiedene Eiweiße und Peptide denaturiert sowie Enzyme unwirksam gemacht. Was konkret passiert, hängt von der Kombination aus Temperatur und Dauer der Erhitzung ab.
Viele Eiweiße haben eine komplexe dreidimensionale Struktur. Durch Erwärmung nehmen empfindliche Eiweiße eine eher lineare Struktur an, sie brechen sozusagen auf. Die Innenseite dreht sich dadurch nach außen und es können neue Epitope entstehen, die wiederum allergische Reaktionen auslösen können.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelangte die Milch in der Regel ungekühlt und oft in hygienisch bedenklichem Zustand in die Städte. Sie wurde schnell schlecht und war Brutstätte für Krankheitskeime aller Art. In erster Linie wollte man durch die Pasteurisierung also die Haltbarkeit verlängern. Ferner erhoffte man sich durch die Erhitzung der Milch und Abtötung sämtlicher Keime eine Eindämmung der Tuberkulose, einer bakteriellen Infektionskrankheit, die damals weit verbreitet war. Auch für Industrie und Handel war die Pasteurisierung interessant, denn nun ließ sich Milch über längere Zeiträume und größere Distanzen verkaufen.
Bei klassischer Pasteurisierung wird die Milch auf 72 bis 80 Grad Celsius erhitzt. Milch, die als „länger haltbar“ oder „ESL“ (von Englisch: extended shelf life) gekennzeichnet ist, wird zusätzlich durch Ultrafiltration der Magermilchfraktionen entkeimt.
Bei der Homogenisierung wird das Milchfett unter hohem Druck durch kleine Mikroporen gepresst. Dadurch werden die Fettkügelchen, aus denen das Milchfett besteht, zerkleinert.
Milchfett besteht aus kleinen Tröpfchen. Diese können sich miteinander verbinden, so dass sich das Fett an der Milchoberfläche sammelt. Nachdem die Tröpfchen bei der Homogenisierung zerkleinert wurden, kann das Fett nicht mehr gerinnen und ’schwebt‘ dann gleichsam durch die gesamte Milch.
Durch Pasteurisierung verliert die Milch Enzyme und Bakterien, die die Reifung des Käses beeinflussen. Käse aus pasteurisierter Milch hat einen ‚flacheren‘, einfacheren und konstanteren Geschmack, da die Reifung hauptsächlich durch zugesetzte Starterkulturen von Bakterien erfolgt. Hofkäse aus Rohmilch kann dagegen einen sehr eigenen, ausgeprägten Geschmack entwickeln.
FRAGEN ÜBER BESCHAFFENHEIT VON MILCH
Milch kommt überwiegend von Rindern, Ziegen, Schafen, Yaks und Kamelen; das alles sind Wiederkäuer. Seit fast zehntausend Jahren züchten und zähmen Menschen wiederkäuende Tiere. Deren Nahrung (Gras, Heu, Laub) steht nicht in Konkurrenz zu der des Menschen. Anders als wir sind Wiederkäuer jedoch in der Lage, Futter mit hohem Rohfaseranteil zu verdauen. Lässt man Wiederkäuer also auf Flächen weiden, auf denen sich sonst nichts anbauen lässt, produzieren sie gut verdauliches Eiweiß (Milch, Fleisch). Im Bio-Landbau fressen sie unter anderem Leguminosen (Kleegras, Luzerne). Diese werden auch als Gründünger benötigt, um den in der Luft enthaltenen Stickstoff auf natürliche Weise im Boden zu binden und dadurch die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen.
Die Fähigkeit, ’süße‘ Milch zu verdauen, ist genetisch bedingt, hängt vom Alter ab und hat wahrscheinlich auch mit der Herkunft der Milch zu tun – weniger mit der Art der Erhitzung. Im Allgemeinen sind gesäuerte Milch (Joghurt, Kefir, Quark) und Milchprodukte (Gouda, Brie) leichter verdaulich, da sie ‚fermentiert‘ sind. Das heißt, ihr Milchzucker (Laktose) ist ganz oder teilweise in Milchsäure umgewandelt. Mit zunehmendem Alter bekommen manche Menschen Probleme, Milchzucker zu verdauen; Sauermilchprodukte sind für sie dann bekömmlicher. Dieses Phänomen nennt man Laktoseintoleranz (Unverträglichkeit von Milchzucker). Die Anpassung westlicher Menschen an ’süße‘ Milch heißt dagegen Laktase-Persistenz und beschreibt die fortwährende Aktivität des Laktase-Enzyms nach dem Übergang von Mutter- zu Kuhmilch.
Wiederkäuer sind Säugetiere – genau wie wir Menschen. Sie haben jedoch ein besonderes Magensystem, die so genannten Vormägen: Pansen, Blättermagen, Labmagen und Netzmagen. Säugetiere wie Schweine oder Menschen haben dagegen, ebenso wie Hühner, nur einen einzigen ‚richtigen‘ Magen. Eine weidende Kuh schluckt das Gras schnell herunter. Es landet zunächst im großen Pansen, der ca. 40-60 Liter Futter aufnehmen kann. Anschließend beginnt die Kuh, ganz in Ruhe (meist liegend) wiederzukäuen. Dabei wird jeweils ein kleiner Ballen von durchweichtem Gras aus dem Pansen wieder nach oben befördert und erneut durchgekaut. Nach 50-60 Mal Kauen wird das Gras erneut geschluckt. Auf diese Weise wird das Futter schrittweise, d.h. in mehreren Phasen zerkleinert, durchmischt und für Bakterien erschließbar. Die Vormägen von Wiederkäuern dienen somit als eine Art Reaktor oder Kompost, in dem die Rohfasern durch Bakterien gespalten und in Eiweiß umgewandelt werden. Dieses Bakterieneiweiß wird schließlich in Magen und Darm verdaut – genau wie auch wir mit nur einen Magen Eiweiß verdauen.
Die Produktion einzelner Rinder und Betriebe hat sich schon immer vom Durchschnitt unterschieden. Holstein-Rinder stammen hauptsächlich von einigen nordholländischen Ställen ab. Sie kamen 1860 in die USA und gaben dort schon 14.000 Liter Milch pro Jahr. In den Niederlanden lag die Produktion damals bei weniger als der Hälfte. Um 1900 gab eine Kuh im Schnitt ca. 2.000 Kilo Milch pro Jahr, heute vier bis fünf Mal so viel. Einzelne Tiere können sogar noch viel mehr Milch geben.
Durch gezielte Zucht hat Kuhmilch heute einen viel höheren Fett- und Eiweißgehalt . Die moderne Zucht geht allerdings auch mit Änderungen der Fütterung einher. Um viel Milch zu produzieren, braucht die Kuh reichlich Energie, die sie in leicht verdaulicher Form, d.h. durch Silomais, Kraftfutter und Getreide aufnehmen muss. Solche Futtermittel wirken sich jedoch nachteilig auf das Fettsäureprofil der Milch aus. Außerdem führen sie zu Pansenübersäuerung und Labmagenverlagerung. Eine Entscheidung für alternative Rinderrassen, die noch ausschließlich von Gras und Heu leben können, kommt der Qualität des Milchfetts zugute.
Je nach Lebensraum und Verhalten besteht die Milch von Säugetieren aus sehr unterschiedlichen Inhaltsstoffen. Die Zusammensetzung der Eiweiße in der Milch verschiedener Wiederkäuer, wie auch in der unterschiedlicher Rinder, ist hauptsächlich genetisch bedingt und hängt somit von der jeweiligen Rasse ab.
Kuhmilch besteht größtenteils aus Wasser. Außerdem enthält sie ca. 4,5% Fett, 3,5% Eiweiß und 4% Laktose. Jersey-Rinder sind aufgrund ihres deutlich höheren Milchfettgehalts sehr verbreitet. Im Vergleich zu anderen Säugetieren sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Rinderrassen jedoch gering. Wenn die Tiere ausschließlich Weidegras fressen, wirkt sich das sehr positiv auf die Zusammensetzung der Fettsäuren aus. Als besonders gesundheitsfördernd gilt das Fettsäureprofil, das sich durch Weidung auf jungem, noch wachsendem Gras entwickelt. Käse aus Frühjahrsmilch und Butter aus Weidegras haben einen niedrigen Schmelzpunkt (weich, zart) und eine gelbe Farbe (Beta-Karotin). An diesen Merkmalen kann man erkennen, dass die Kuh ihre Milch hauptsächlich auf der Grundlage von Gras produziert hat.
N-3 Fettsäuren bestehen aus langen Kohlestoffketten (mindestens 18 C) und drei oder mehr Doppelbindungen im Molekül. Die Bezeichnung N-3 bezieht sich auf die Stelle, nicht die Anzahl der Doppelbindungen; man spricht dementsprechend von n-3, n-6 oder n-9 Fettsäuren. In Pflanzen findet man hauptsächlich die für Menschen und Tiere lebenswichtige Alpha-Linolensäure (ALA) oder auch C18:3n-3. N-3 Fettsäuren werden für die Entwicklung des Gehirns, für kognitive Funktionen und für das Sehen benötigt. Im Gehirn werden diese ungesättigten, langkettigen Fettsäuren konzentriert; das gilt für n-3 wie für n-6 Fettsäuren. Für Milch aus ökologischer Landwirtschaft und aus Bergregionen ist der erhöhte n-3 Gehalt charakteristisch.
Konjugierte Linolsäuren (‚conjugated linoleic acids‘, CLA) sind C18-Fettsäuren mit zwei Doppelbindungen. Der Zusatz ‚konjugiert‘ bedeutet, dass sich jeweils nur ein weiteres C-Atom zwischen den beiden Doppelbindungen befindet. Hierbei gibt es zwei Drehrichtungen: die cis- (c) und die trans- (t) Position. CLAc9t11 ist somit eine typische CLA, die Wiederkäuer im Pansen bilden, wenn sie viel Gras fressen. An dieser und anderen CLA-Markern kann man unterschiedliche Fütterungsstrategien erkennen. Fettlöslich sind unter anderem die Vitamine A, D, E und K2. Sie spielen eine bedeutende Rolle für den Stoffwechsel, das Wachstum und andere physiologische Vorgänge. In verschiedenen Bergregionen wurde früher überschüssige Sommermilch zu Hartkäse verarbeitet, um sie für den Winter haltbar zu machen. Um Verluste zu vermeiden, durfte man dafür ausschließlich Milch von mit Heu gefütterten Kühen verwenden. Diese Milch war in der Regel frei von Clostridien; das sind Bakterien, die in reifem Käse schädliche Gase bilden. Während Heu früher im Freien getrocknet wurde, stellt man Qualitätsheu heute durch künstliche Unterdachtrocknung her. Solches Heu ist grün, hat einen hohen Futterwert und ist daher als Futter für Milchkühe sehr geeignet. Der Unterschied bestimmt sich durch die Menge an Produktion pro Kuh, den Einsatz von Kraftfutter und die Frage, ob die Kühe geweidet werden oder nicht. In den meisten konventionellen Betrieben Europas stehen die Kühe durchgehend im Stall und erhalten dort intensive Fütterung. Je nach Gebiet oder Region gibt es da Abweichungen, die Tendenz bleibt jedoch klar. Die Bestände sind inzwischen so groß, dass Weidung für die meisten Betriebe keinen Sinn mehr ergibt. Im Bio-Landbau werden die Kühe hingegen meist geweidet oder bekommen im Stall frisches Gras. Der Unterschied zeigt sich sehr deutlich im Fettsäureprofil der Milch. Molkenproteine haben ein leicht verdauliches Aminosäureprofil mit sehr hohem Nährmittelgehalt. Sportler können dadurch Muskelmasse aufbauen; das macht die Sache für sie interessant.
FRAGEN ZU MILCH UND ANTIBIOTIKA
Der Einsatz von Antibiotika ist in der modernen, konventionellen Landwirtschaft weit verbreitet. Durch einen exzessiven Einsatz von Antibiotika können sich zum Beispiel multiresistente Keime der Art Staphylococcus aureus (MRSA) bilden. Bakterien können untereinander sehr leicht Resistenzgene austauschen. Gerade die sehr verbreiteten Enterokokken bilden, ebenso wie Staphylococcus aureus, leicht Resistenzen gegen unterschiedlichste Arten von Antibiotika. Derzeit gibt es so gut wie keine Kühe mehr, die nicht mindestens ein Mal im Leben mit Antibiotika behandelt wurden. Speziell am Ende der Laktationszeit werden alle vier Euterviertel mit Antibiotika trocken gestellt, um Entzündungen zu verhindern. Auch Kühe in Biohaltung werden oftmals mit Antibiotika behandelt.
Um ohne Antibiotika auszukommen, muss der Halter im Umgang mit seinen Kühen äußerste Sorgfalt walten lassen. Dabei geht es nicht allein um Ersatztherapie, sondern um ein völlig anderes Management in Bezug auf Zucht, Fütterung, Melktechnik und Hygiene, sowie vor allem um ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse der Tiere. Erzeuger, die ohne Antibiotika arbeiten wollen, halten meist andere, robustere Kuhrassen. In den USA gibt es ein entsprechendes Siegel für Betriebe im „National Organic Program“. Auch in Europa kommen einige Halter ohne Antibiotika aus – allerdings muss man die mit der Lupe suchen.
FRAGEN ZU DEN RISIKEN VON ROHMILCH
Grundsätzlich ist jeder Erzeuger für die Sicherheit seines Produkts verantwortlich. Dazu gibt es eine Lebensmittelhygieneverordnung. In Europa darf Rohmilch generell nur aus dem eigenen Tank des Produzenten angeboten werden. Darauf muss klar erkennbar der Hinweis stehen: „Kühl aufbewahren und vor Gebrauch auf 80 Grad Celsius erhitzen.“ In Deutschland dürfen Erzeuger Vorzugsmilch anbieten, in Italien und Slowenien darf Rohmilch aus Automaten verkauft werden, und in einigen Staaten der USA kommt so genannte Grade-A-Milch in den Handel. Mit der jeweiligen Gesetzgebung und der damit verbundenen Kontrolle versucht man, die Risiken des Rohmilchverzehrs so gering wie möglich zu halten. Allerdings gibt es kein Leben ohne Risiko – auch nicht mit pasteurisierter Milch.
Von Rohmilchprodukten wird grundsätzlich all jenen abgeraten, deren Immunsystem geschwächt oder noch nicht vollständig entwickelt ist. Dies betrifft vor allem Kleinkinder, ältere Menschen und schwangere Frauen. Bei Schwangeren geht es um Risiken für das ungeborene Kind. Das Dilemma ist allerdings, dass genau diese Gruppen besonders von Rohmilch profitieren könnten. Ein Ausweg liegt darin, sich zu vergewissern, dass der Produzent seine Milch regelmäßig und engmaschig auf die Unterschreitung des zulässigen Zell- und Keimgehalts testet. Wichtig für den unbedenklichen menschlichen Verzehr ist hierbei neben der Kontrolle von Hygienefaktoren der Ausschluss sogenannter Zoonosen, also vom Tier auf den Mensch übertragbarer Erreger.
In den 1930er Jahren war der Kampf gegen mit Tuberkelbakterien infizierte Milch ein wichtiger Grund, Pasteurisierung durchzusetzen. In Deutschland entstand daraufhin das so genannte Vorzugsmilchgesetz, das dafür sorgte, dass nur noch kontrollierte, TBC-freie Rohmilch auf den Markt kam. Vorzugsmilch wird auch als ‚Kindermilch‘ oder ‚Heilmilch‘ bezeichnet. In vielen anderen Ländern wurde Rohmilch damals ebenfalls auf TBC kontrolliert. Man ging davon aus, dass nach Ende der Tuberkulosewelle wieder mehr Rohmilch auf den Markt kommen würde. Die Vorteile der Pasteurisierung waren jedoch so groß, dass Rohmilch seither in den meisten Ländern nicht mehr ausgeliefert wird, sondern nur noch direkt ab Hof erhältlich ist. In den letzten Jahren kamen aus Süddeutschland wieder vereinzelt TBC-Meldungen; die verbreiteten Infektionen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg gibt es jedoch nicht mehr. Dies liegt wahrscheinlich an der insgesamt besseren Hygiene in den Betrieben und in den Haushalten der Verbraucher.
Von offizieller Seite wird primär vor bakteriellen Zoonosen gewarnt, besonders vor Listerien, Campylobacter und EHEC. In der niederländischen Provinz Brabant sind vor einigen Jahren viele Menschen durch Coxiella-Bakterien (Q-Fieber) gestorben oder sehr krank geworden, die über Ziegenställe (durch die Luft) verbreitet worden waren. Hier handelte es sich um eine relativ neue Variante der Erreger. Es gibt eine lange Liste potenziell übertragbarer Krankheiten, allerdings kommen viele Keime in Europa gar nicht oder nur sporadisch vor. Begrenzen lässt sich das von Rohmilch ausgehende Risiko dadurch, dass die Betriebe auf tägliche Hygiene (Keimzahl, Enterokokken) und die wichtigsten bakteriellen Zoonosen kontrolliert werden.
All diese Kürzel sind Varianten der selben Sache: Das Darmbakterium „Enterohämorrhagische Escherichia coli“, kurz EHEC, ist eine Zoonose. Es ist auch unter andere Namen bekannt: STEC steht für „Shiga-Toxin bildende E. coli“ und VTEC für „Vero-Toxin bildende E. coli“. Dabei handelt es sich um so genannte Serotypen (O-Typen; H-Typen), die sich genetisch und physiologisch voneinander unterscheiden. EHEC tauchte in den 1980ern auf und wurde zunächst als „Hamburger-Disease“ bekannt; das Darmbakterium überlebte in nicht ausreichend durchgartem Rindfleisch. Die spätere Variante O157:H7 erwies sich als sehr aggressiv. Bei Kindern kann dieses Bakterium zu Nierenversagen (hämolytisch-urämisches Syndrom, HUS) führen. Im Juli 2011 erkrankten oder starben noch einmal viele Menschen an einer neuen Variante, dem STEC-Serotyp O104:H4. Diese hatte allerdings nichts mit Milch zu tun, sondern wahrscheinlich mit der Kontamination von Keimlingen und Sprossen.
Zoonosen sind Krankheiten, die durch Kontakt mit infizierten Tieren oder tierischen Produkten übertragen werden. Die FAO hat eine lange Liste mit allen möglichen Bakterien erstellt, die in Kuhmilch vorkommen können. Die Betonung liegt hier auf „können“, denn die meisten dieser Bakterien treten in westlichen Ländern entweder gar nicht, nur vereinzelt oder sporadisch auf. Die Hygienestandards sind hier sehr hoch und es gibt entsprechende Kühltechniken. Zur Ausrottung einiger wichtiger Bakterien wurden so genannte Tilgungsprogramme aufgelegt, die bei infizierten Betrieben den Verlust des gesamten Bestands nach sich ziehen. Die stark verbesserten Hygienebedingungen und die aus bakteriologischer Sicht sehr gute Wasserqualität sind hauptverantwortlich dafür, dass Infektionskrankheiten in Europa eingedämmt werden konnten.
Es ist ein Denkfehler zu glauben, dass der Fund irgendwelcher Bakterien direkt mit der Gefahr einhergeht, zu erkranken. Ob man tatsächlich krank wird, hängt davon ab, ob es sich um aggressive Bakterien handelt, in welcher Menge bzw. Konzentration diese auftreten und wie das Immunsystem der jeweiligen Person aufgestellt ist (Sensibilität). Es gibt inzwischen dermaßen viele Methoden, um Keime zu identifizieren, dass nahezu alle potenziell gefährlichen Bakterien, bspw. im Milchfilter eines Betriebs, entdeckt werden können. In Rohmilch können sich viele Keime jedoch gar nicht entwickeln. Zudem hat Rohmilch besondere Eigenschaften, durch die Bakterien abgetötet werden bzw. deren Wachstum gebremst wird.
Für eine sachliche Risikobewertung ist es ratsam, ein einzelnes Risiko im Vergleich und Verhältnis zu anderen Lebensmitteln zu betrachten. Dabei zeigt sich, dass Rohmilchverzehr tatsächlich sehr geringe Risiken mit sich bringt. Viel mehr Krankheiten werden zum Beispiel aufgrund von infiziertem Hühnerfleisch gemeldet. Auch rohe Eier, roher Fisch und rohes Fleisch gelten als Lebensmittel, bei deren Erzeugung, Transport und Weiterarbeitung eine Einhaltung der Kühlkette und höchste Ansprüche an die Hygiene wichtig sind. Und noch etwas wird dabei deutlich: Es ist statistisch wahrscheinlich, bei einer Autofahrt auf dem Weg zum Bauernhof zu Schaden zu kommen, als durch den Verzehr naturbelassener Milch.
FRAGEN ZU GESUNDHEITS-CLAIMS
Die Ursache vieler moderner Zivilisationskrankheiten liegt in fehlgeleiteten Reaktionen des Immunsystems. Die westliche Lebensweise bringt mit sich, dass Asthma und Allergien sich immer weiter verbreiten. Forscher sind jedoch überzeugt, dass Rohmilch hier vorbeugend wirkt. Die Gründe dafür sind komplex und noch nicht vollständig erforscht. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass der Körper regelmäßig mit Bakterien zu tun hat, die in erhitzter bzw. pasteurisierter Milch nicht mehr vorkommen.
Weltweit wurde in mittlerweile mindestens zehn Ländern wissenschaftlich festgestellt, dass Menschen, die als Kind Rohmilch trinken, später weniger von Asthma, Heuschnupfen und Allergien betroffen sind. Obwohl in fast allen Ländern Kinder von Bauernhöfen mit anderen Alters- und Dorfkameraden verglichen wurden, erkannte man die vorbeugende Wirkung von Rohmilch in beiden Gruppen. Ein wichtiger Hinweis fand sich 2011, als man innerhalb der Gruppe der Bauernhof-Kinder diejenigen, die Rohmilch tranken, mit denen verglich, die erhitzte Hofmilch bekamen. Die Kinder, die nur Rohmilch tranken, hatten signifikant weniger Probleme mit den drei oben genannten Krankheiten. Dagegen gab es keinen Unterschied zwischen Bauernhof-Kindern, die erhitzte Milch tranken, und solchen, die gekaufte (also zusätzlich homogenisierte) Milch bekamen. Die Forscher nehmen deshalb an, dass vor allem die Erhitzung zu den genannten Problemen führt.
Es gibt viele gesundheitsbezogene Studien, aus denen sich wertvolle Erkenntnisse ableiten lassen. Da diese Ergebnisse Wechselbeziehungen zwischen mehreren untersuchten Merkmalen, Ereignissen und Zuständen kennzeichnen, werden sie wissenschaftlich als Korrelationen bezeichnet. Korrelationen bezeichnen keine kausalen Verbindungen. Man kann man also in Bezug auf die umfassenden epidemiologischen Studien und Untersuchungen zum Bauernhof-Effekt nicht schablonenhaft sagen: Immer wenn wir exakt dies tun, geschieht zu 100% genau das. Es zeigt sich, dass sowohl der Bauernhof als Lebensraum und Umgebung wie auch die Lebensweise einer schwangeren Frau Wirkungen hinterlassen. Dennoch erkennt man immer auch einen eigenen, unabhängigen Effekt, der vom Rohmilchverzehr ausgeht. Kritiker weisen darauf hin, dass es sich hierbei um rein statistische Korrelationen handelt, die noch keinen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang erklären. Allerdings scheinen sich die verschiedenen Faktoren durchaus zu ergänzen. Wenn die Mutter im Stall mitarbeitet, man auf natürlichem Weg zu Hause geboren und gestillt wird und anschließend Rohmilch trinkt, ist man am besten geschützt – vor allem wenn man aus einer großen Familie stammt und nicht zufällig das erstgeborene Kind ist.
Nicht alles, was mit Gesundheit zu tun hat, war früher schlechter; die heutzutage umfassendere Hygiene hat auch ihre Schattenseiten. Denn gute Hygiene heißt nicht, dass wir in einem ’sterilen‘ Umfeld leben müssen. Anders gesagt: Wir brauchen als Kleinkind ausreichend Konfrontation mit Schmutz und Bakterien, um gegenüber unserer Umwelt bestehen zu können. Wenn das Immunsystem dadurch in jungen Jahren gut aufgestellt wird, reagiert der Körper auch später ohne Überreizung auf fremde, harmlose Stoffe von außen.
Im menschlichen Körper gibt es mehr Bakterien als Körperzellen. Auch um uns herum sind überall Bakterien und Mikroorganismen unterwegs. Sämtliche inneren und äußeren Oberflächengewebe unseres Körpers sind mit Bakterien bedeckt. Sie bilden auf unserer Haut und den Schleimhäuten ein eigenes Ökosystem. Wir leben von der Verdauungsarbeit, die Bakterien im gesunden Darm leisten. Wir brauchen Bakterien um gesund zu bleiben, unsere Nahrung zu verdauen und Vitamine zu bilden. Das heißt, ein Teil unserer Ernährung dient als prä- und probiotische Nahrung. Dies gilt vor allem für Nahrungsmittel mit einem hohen Gehalt an Milchsäurebakterien, z.B. Rohmilch, Rohmilch-Kefir und Joghurt, oder solche, mit deren Bestandteilen sich die Bakterien in unserem Darm entwickeln können.
Vermutlich ja, allerdings gibt es hierzu (noch) wenig Forschung. Was wir wisssen, ist, dass der Verzehr von Rohmilch in jungem Alter präventiv gegen späteres Asthma und Allergien wirken kann. Außerdem gibt es auch Hinweise auf eine kurative Wirkung, d.h. als Heilmittel gegen bestehendes Asthma und Allergien. Ob dies für jede Art von Rohmilch gilt, ist jedoch unklar.
Die Diskussion um A1- und A2-Milch bezieht sich auf eine Mutation innerhalb eines Milchpeptids, des so genannten Beta-Casomorphins (BCM-7). Die entsprechende DNA-Struktur unterscheidet sich nur an einer einzigen Stelle. Einige Rinderrassen (Guernsey, Jersey) geben die vorteilhaftere A2-Milch, wohingegen die meisten anderen Rassen A1-Milch produzieren. Die negative Wirkung von A1-Milch entsteht hauptsächlich durch Erhitzung; bei Rohmilch sind die Unterschiede gering und der Gehalt an BCM-7 niedrig. Die Forschung um A1 und A2 ist nicht ganz eindeutig, zumal in Studien meist unerwähnt bleibt, ob mit roher oder mit erhitzter Milch gearbeitet wurde.
Lebensmittel mit vielen Kalorien können immer dick machen – wenn man mehr verzehrt als der eigene Organismus verbraucht. Kälbchen, die viel Milch bekommen, nehmen stärker an Gewicht zu als solche, die am Tag nur sechs Liter trinken. Die Forschung zum Thema Übergewicht deutet jedoch darauf hin, dass Menschen, die sich von Vollmilch und vollfettem Käse ernähren, schlanker bleiben als jene, die sich für Magerprodukte entscheiden. Man erklärt das so, dass dadurch zum einen ein stärkeres Sättigungsgefühl entsteht und zum anderen diese Menschen weniger zuckerhaltige Produkte zu sich nehmen.
Der Unterschied ist riesig. Moderne Margarinesorten sind mit Omega-3-Fettsäuren angereichert. Die Grundlage von Margarine ist Pflanzenöl; es enthält (und enthielt früher viele) Omega-6-Fettsäuren. Hinzu kommt die industrielle Härtung der Fette, was wiederum die Entstehung von unerwüschten, industriellen Trans-Fettsäuren begünstigt. Butter enthält dagegen eine Vielfalt an Fettsäuren, vor allem dann, wenn sie von geweideten Kühen stammt. Die tierischen Trans-Fettsäuren der Milch haben eine völlig andere physiologische Wirkung als industrielle Trans-Fettsäuren.
FRAGEN ZU FORSCHUNGSMETHODEN
Heutzutage werden in einem Messdurchgang mehrere hundert Tausend Inhaltstoffe gemessen. Milchfett enthält mehr als 100 verschiedene Fettsäuren, aber eine Vielzahl von Proteinen und Peptiden und noch viel mehr Stoffwechselprodukte. Durch die Konzentration und Kombination verschiedener Stoffe bildet jedes Produkt einen einzigartigen Fingerabdruck. Die Herkunft der Milch, sowie Region, Jahreszeit, Gesundheit der Kühe lassen sich alle durch diese Vielzahl von Substanzen charakterisieren. Dies bedeutet, dass nicht jede Milch gleich ist und stofflich stark variieren kann. In dem Verhältnis der Milch zu der Gesundheit sind die Unterschiede bedeutend.
Die Meta-Analyse ist eine bereichsübergreifende und bedeutende Studie, die Aufschluss über diese Frage geben soll ob Milch (un)gesund ist. Bei der Meta-Analyse werden verschiedenen Studien miteinander verglichen. Milchprodukte haben anscheinend an Beliebtheit verloren haben, weil sie angeblich zu viel tierische Fette und gesättigten Fettsäuren beinhalten. Jedoch wird diese Ansicht nicht durch die Meta-Analyse unterschützt und sogar widerlegt: Menschen die regelmäßig Milch und Milchprodukte zu sich nehmen, haben meistens ein gesunderes Körpergewicht und einen niedrigeren BMI, sind weniger anfällig für Herz-Kreislauferkrankungen, haben bessere Blutdruck- und Cholesterinwerte und sind besser geschützt vor jeglichen Formen von Krebs. Kinder, die regelmäßig Butter und Vollmich konsumieren sind seltener betroffen von Asthmaerkrankungen. Fraglich ist ob durch Milchkonsum ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs bei Männern hervorgerufen wird oder Akne dadurch verstärkt wird. Es konnte auch nicht nachgewiesen worden, ob Milch als Präventionsmittel gegen Knochenbrüchen bei älteren Menschen funktioniert.
Pasteurisierte Milch hat einen eher süßlichen und flacheren Geschmack. Umso höher Milch bei der Pasteurisation erhitzt wird umso verstärtkt sich der süßliche Geschmack der Milch. Rohmilch hingegen hat einen viel volleren Geschmack, der manche Menschen an „Kuh“ oder „Stall“ erinnert Der Geschmack der Rohmilch ist wiederrum abhängig von der Fütterung der Tiere. Als Mensch gewöhnen wir uns schnell an den Geschmack von Milch, wenn sich der Geschmack von Milch verändert, müssen wir uns erst daran gewöhnen. Eine Milchfabrik, die ihre Pasteurisationstechnik verändert hatte, hat dies deutlich an den Verkaufszahlen der Milch gemerkt, weil sich dadurch auch der Geschmack der Milch veränderte. Es dauerte eine Weile bis sie wieder bei ihren alten Verkaufszahlen angelangt waren. Die Konsumenten mussten sich erst an den „neuen“ Geschmack der Milch gewöhnen. Es wird gesagt, dass mit holistischen Forschungsmethoden ein besseres allumfassendes Bild eines Produktes entsteht als mit den herkömmlichen auf einzelne Aspekte gerichteten Methoden. Eine aus der anthroposophischen Forschung bekannte Methode ist die so genannte Bildschaffende Methode. Bei dieser Methode ist die Idee, dass das ganze mehr ist als eine Zusammensetzung der einzelnen Teilchen und diese Ganzheit auch bildlich dargestellt kann werden. Bekannte Verfahren sind Kupfer-Chlorid Kristallationsbilder und Steigbilder, darunter kann man sich so etwas wie ein Fingerabdruck oder Eisblumen vorstellen. Die dabei entstehenden Formationen sind einzigartig und individuell. Jedoch sind diese Ergebnisse nicht verständlich oder beurteilbar, weil es nicht ganz deutlich ist welche Qualitäten verbildlich werden. Eine andere moderne Labormethode ist die Omics-Methode, die auch als holistische Methode gesehen werden kann. Dann aber als eine holistisch-quantitativ anstatt holistisch-qualitativ. Dabei liegt die Komplexität in der Abbildung der verschiedenen Stoffe in einem besonderen Muster, welches interpretiert werden muss.
Die Ausgangssituation ist es Komplexitäten herunter zu brechen auf ihre physikalischen Teilchen. Dabei ging es ursprünglich vor allem darum einzelne Substanzen nachzuweisen.
FRAGEN ÜBER PRODUKTE AUS ROHMILCH
Die klassischen Milchprodukte sind Butter, Käse, Sahne, Sauerrahm, Joghurt, Sauermilch und die bei der Herstellung entstehenden Nebenprodukte, so wie Buttermilch von der Butterherstellung und Molke von der Käseherstellung. Butter wird traditionell aus Sahne hergestellt und dann abhängig davon ob der Rahm angesäuert wurde oder nicht als Sauer- oder Süßrahmbutter angeboten. Sahne gewinnen kann man indem man entweder die Fettschicht von der Milch abschöpft oder die Milch zentrifugiert. Durch das Ansäuern von Milch entstehen fermentierte Produkte wie zum Beispiel Dickmilch, Joghurt und Schwedenmilch. Das Endresultat der Fermentation ist abhängig von der verwendeten Starterkultur und Milchtemperatur während der Zubereitung. Der pH-Wert der Milch nach der Fermentation liegt meistens um pH 4. Im pH-Wert Bereich um pH 4 vermehren sich viele unerwünschte Bakterien nicht mehr oder sterben sogar ab.
Wenn zusätzlich bei der Fermentation noch Labferment eingesetzt wird, entstehen andere Milchprodukte sowie Quark, Frischkäse, Butterkäse und Bergkäse. Das Lab verändert die Proteinstruktur der Milch, wodurch Molke abgeschieden wird. Der Feuchtigkeitsgrad des Endproduktes ist abhängig von der verwendeten Menge Lab, der Aufwärmzeit und –Temperatur während der Herstellung. Je härter und dementsprechend trockener das Produkt, desto länger dauert die Geschmacksbildung während des Reifeprozesses.
Fermentation ist in erster Linie die Umwandlung von Laktose nach Milchsäure. Bei der Protein-Fermentation entstehen Peptiden, Ammoniak und Abbauprodukte, die wichtig für die Aromabildung eines Produktes sind.
Lab enthält Enzyme, die Milcheiweiß gerinnen lässt. Es entsteht eine Netzstruktur in der die Fettmoleküle eingeschlossen sind. Lab wird aus den Mägen junger Kälber destilliert, dazu müssen die Mägen getrocknet, zerkleinert und dann wieder eingeweicht werden. Dann können die Enzyme sich im Wasser auflösen. Genauso wie bei der Milchsäuerung wird auch beim Käseprozess die Milch eingedickt, innerhalb einer halben Stunde entsteht eine puddingartige Substanz. Es gibt auch pflanzliche und bakterielle Labalternativen.
Solange sich die Milch im Euter befindet, ist sie quasi steril. Durch Krankheiten (von Mensch oder Tier) oder durch Schmutz an Euter oder Milchmaschine können Bakterien in die Milch gelangen. Ein spontane Versäuerung von Milch tritt auf wenn sich genügend milchsäurebildende Bakterien in der Milch befinden. Diese Bakterien wandeln Milchzucker( Laktose) in Milchsäure um, dadurch sinkt der pH-Wert (Säuregehalt) der Milch und die Eiweißbestandteile der Milch stocken. Es entsteht eine Art Dickmilch. Auch wenn man Milch gekühlt lagert können sich noch die kälteliebenden Bakterien vermehren, die jedoch als Nebenprodukt Bitterstoffe bilden, wodurch die Milch einen unangenehmen Geruch und Geschmack bekommen kann. Wenn die Hygiene der komplette Produktionskette stark erhöht wird, kann es passieren, dass es nicht mehr genug Bakterien gibt, die Milchsäure bilden können. Dadurch wird nicht mehr Laktose abgebaut sondern Milcheiweiß, sodass die Schwefelverbindungen beschädigt werden. Das Ergebnis davon ist, dass die Milch nach einigen Tagen nach faulenden Eiern zu riechen beginnt.
Ein Nährboden wird mit allen in Milch vorkommenden Bakterienstämmen geimpft. Einige Bakterienstämme werden als stecknadelgroße Punkte sichtbar. Je mehr Bakterien in der Milch sind umso mehr Punkte werden sichtbar. Die Anzahl der Punkte wird umgerechnet auf Bakterien per ml Milch: das ist die Keimzahl. Um Untersuchungen nach spezifischen Bakterien, sowie Enterococcen oder wärmebeständigen Bakterien durchzuführen, kann die Zusammensetzung des Nährbodens angepasst werden, sodass nur diese Bakterienstämme wachsen. So können Fragen über Betriebshygiene oder Euterentzündungen beantwortet werden.
Probiotika sind Bakterienkulturen (oft Milchsäurebakterien), die in den Magen-Darm-Trakt gelangen und eine positive Auswirkung auf die Zusammensetzung der Darmflora haben. Präbiotika sind Inhaltsstoffe in der Nahrung, die im Darm das Wachstum der eigenen Darmbakterien fördern, was förderlich für die Gesundheit ist. In Muttermilch sind zum Beispiel Oligosacchariden, zuckerartige Ballaststoffe, die dafür sorgen, dass Babys eine gesunde Darmflora bilden können. Synbiotika sind ein Mischung aus Pro- und Präbiotika.
FRAGEN ÜBER ZÜCHTUNG UND KUHRASSEN
In der Regel werden Kühe aus ökologisch Viehhaltung häufig nur mit Raufutter (Gras, Heu, Silage) gefüttert. Darum werden auch oft andere Kuhrassen gehalten, denn nicht nur die Milchleistung, sondern auch die Robustheit einer Kuh ist entscheidend. Daher werden oft alte Rassen oder so genannte Doppelnutzungsrinder ausgesucht. In der ökologischen Landwirtschaft ist mehr Interesse an einer guten Lebensleistung (Gesamtleistung) anstatt einer hohen Erstlaktation (Leistung im ersten Jahr).
Die Vorfahren unserer heutigen domestizierten Milchkühe haben ihre Kälber wahrscheinlich mehrere Monate lang Milch trinken lassen. Wie jedes weibliche Säugetier braucht auch die Milchkuh eine Geburt und die damit einhergehenden hormonellen Veränderungen um Milch produzieren zu können. Im Laufe der Zeit wird der Milchfluss langsam weniger bis sich der Milchfluss komplett eingestellt hat die Kuh steht trocken. Heutzutage kalben in der Milchviehhaltung die Tiere nach einer Periode von rund 365 wieder ab, sodass ein ständiger Impuls zur Milchgabe entsteht.
Die Bildung der Hörner und die Form und Größe der Hörner sind Merkmale die größtenteils genetisch bestimmt werden. Die unterschiedlichen Hörner sind wahrscheinlich eine klimatische Anpassung an die Umgebung. Das Horn als genetisches Merkmal ist rezessiv (hh) für ein Allel (Gen-Position). Das hat zur Folge, dass Kuhhörner innerhalb einer Generation herausgezüchtet werden können, indem man einen der Bullen einkreuzt der genetisch homozygot „Hornlosigkeit“ (HH) vererbt. Alle Nachkommen sind dann hörnerlos, sind heterozygot (Hh). Warum die meisten Kühe dennoch mit Hörnern gezüchtet werden bleibt Spekulation. In heiß und trockenen Gebieten findet man Rinderrassen mit großen aufrechten Hörnern (Watussi Rind, Ungarisches Steppenrind). Eine Hypothese als Erklärung dafür ist, dass die Hörner zur Kühlung des empfindlichen Gehirns beitragen. Genetisch hörnerlose Rassen findet man zum Beispiel beim Fjäll-Rind, welches im Norden Europas unter sehr kalten Bedingungen seine Heimat hat. In Mitteleuropa sind Braunvieh und Fleckvieh einheimische Rinderasse und haben mittelgroße Hörner. Der innere Teil des Horns enthält ein luftiges Knochengewebe, dieser Kern ist umhüllt von Blutgefäßen und Schleimhäuten. Das Blut in den Blutgefäßen wird im Horn heruntergekühlt und steht in Verbindung mit dem Gefäßsystem, welches für die Kühlung des Gehirns zuständig ist. Hornzapfen, Blutgefäße und Schleimhaut sind abgeschlossen und beschützt durch eine Keratine Schicht, die wir als wirkliches Horn sehen.
Pro Tag frisst eine Kuh zwischen 15 und 25 kg Trockenmasse. Heu enthält 15 % Feuchtigkeit, Maissilage 65% und frisches Gras 80 %. Wie viel ein Tier fressen kann ist abhängig von Körpergewicht und –Größe des Tieres sowie genetischer Veranlagung. Die meisten Kühe wiegen zwischen 500 und 900 kg. Es gibt Kühe die im ersten Monat nach dem Abkalben 90 bis 100 kg Milch geben. Wenn die Fütterung einer Biokuh nur aus Gras, Heu und Silage besteht produziert sie während einer Laktationsperiode (300 Tage) rund 6.000 kg Milch. Voraussetzung für eine höhere Milchleistung sind größere Tiere, 3-5 mal pro Tag melken und eine ausgewogenen Futterration, die einen hohen Energieanteil hat. Das ist nur möglich mit Maissilage, Kraftfutter(Getreide und Hülsenfrüchte) und Soja. Im Jahr 1860 wurden niederländische Milchkühe in die USA verkauft. Die niederländische Milchleistung war zu dieser Zeit 6000 kg/Jahr ein Jahr später war diese Leistung in den USA auf 14.000kg/Jahr angestiegen. Diese Leistungssteigerung war durch Änderungen der Fütterung und Versorgung möglich.
Es gibt ca. 80 verschiedene Fettsäuren im Milchfett. Die Zusammenstellung der Fettsäuren ist wie ein Art „Fingerabdruck“ der Milch und darum geeignet um die Unterschiede, die durch unterschiedliche Fütterung entstehen, deutlich zu machen. Die Zusammensetzung von Weidemilch ist völlig anders als von Milch, die durch Tiere, die intensiev mit Mais und Getreide gefüttert werden, produziert wird. Kühe, die in der Weide grasen bilden auch nennenswert viel Vitamin D, weil sie in der Sonne stehen. Außerdem ist das Milchfett der weidenden Kühe goldgelb und die daraus gemachte Butter une Käse weicher. Der Grund dafür sind einen höherer Beta-Carotin Anteil, der mit der Farbgebung zusammenhängt, und ein höherer Anteil ungesättigter Fettsäuren, die verantwortlich sind für die Konsistenz eines Milchprodukts.
Anhand regionaler Rassen wird deutlich wie vielseitig eine Art sein kann. Alle Kuhrassen entspringen den Auerochsen. Die letzte wilde Kuh starb 1627 in Polen. Durch das Auswählen bestimmter Tiere durch den Bauern sind kleine lokale Viehschläge entstanden. Für jede Region wurde eine angepasste Rasse gezüchtet. Meistens wurde Familienzucht betrieben, da es früher nicht möglich war mit den Tieren und dann vor allen Bullen im deckfähigen Alter herumzuziehen. Das führte dazu, dass für die Zucht nur Bullen aus der eigenen oder der Nachbarherde verwendet wurden. Dadurch sahen die Kühe von Region zu Region anders aus, aber waren angepasst an ihre Umgebung (Boden, Dürre, Winter, Temperatur, Hang usw.). In der heutigen Zeit wird Bullensperma auf der ganzen Welt gehandelt. Von einer Ejakulation eines Bullen können 10000 Portionen tiefgefrorenes Sperma hergestellt werden. Die niederländischen Züchter waren stolz als der HF-Bulle Sunny Boy mehr als 1.000.000 Nachkömmlinge in der ganzen Welt hatte. Der Nachteil davon war, dass in der weltweit wichtigsten Milchviehrasse ein hoher Inzuchtgrad entstand. Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts tauchen auf Gemälden schwarzbunte oder weiße Kühe auf. Es gilt als Merkmal von strenger und enger Selektion, wenn Kühe schwarzbunt oder weiß werden. Ursprünglich gab es viele verschiedene Farben und viele einfarbige Rinder. Im Norden der Niederlanden entstanden die schwarzbunten Kühe, die die Grundlage bilden für fast alle schwarzbunten Kühe der Welt. Zwischen 1860 und 1880 wurden Kühe mit der höchsten Milchleistung aus den Niederlanden in die USA verkauft. Dort wurden sie weiter gezüchtet zur heutigen weltweit wichtigsten Hochleistungsrasse Holstein Frisian. Oft wird auf Grund der hohen Milchleistung diese Rasse auch in andere Rassen eingekreuzt. Es gibt Kühe, die mehr als 25 Jahr alt werden, aber das sind absolute Ausnahmefälle. Die durchschnittliche Milchkuh gebärt nur zwei Kälber im Leben und wird dementsprechend nicht älter als 4-5 Jahre. Oft gilt leider: Früh reif >> früh rot
Auf den meisten Milchviehbetrieben wird versucht die Kuh das erste Mal in einem Alter von 24 Monaten ( 2 Jahre) abkalben zu lassen. Das bedeutet, dass das Jungtier im Alter von 15 Monaten gedeckt wird. Bei der extensiven Haltung in der biologischen Milchviehhaltung kalbt die Kuh meisten etwas später, nach ca. 30 Monaten, ab.
Kolostrum ist Biestmilch, die erste Milch , die eine Kuh während der ersten vier Tage nach dem Abkalben produziert. Die Zusammensetzung des Kolostrums ist eine andere als die von „normaler“ Milch. Sie enthält einen hohen Anteil Immunglobuline, die einen wichtigen Teil der passiven Immunität des Kälbchens bilden. Das Kälbchen sollte in den ersten Stunden nach der Geburt mindestens 2 Liter Kolostrum trinken und innerhalb von 24 Stunden noch weitere 2 Liter. Der Dünndarm des Kalbes ist nur in der ersten Zeit noch so weit offen, dass die Makromoleküle Immunglobulin aufgenommen werden können und dadurch das passive Immunsystem versorgt wird.
In der Praxis ist es gängig, dass Mutter und Kalb sofort nach der Geburt voneinander getrennt werden, manchmal wird das Kalb nur durch die Mutter trocken geleckt. Das Kolostrum bekommt das Kalb dann vom Bauern mit einer Flasche oder wird mit einer Sonde direkt in den Magen gepumpt. Wenn Mutter und Kalb länger zusammen bleiben und einander gewöhnen entsteht bei einer späteren Trennung „Trennungsstress“. Außerdem wollen viele Landwirte die Kuh gerne melken, sodass er selbst bestimmen kann wie viel Milch das Kalb bekommt. In den letzten 20 Jahren sind alternative Aufzuchtmethoden entstanden, bei denen die Kälber bei der eigenen Mutter oder Ammenkühen bleiben. Dabei bleiben Mutter und Kalb länger beieinander, bis zu 3-4 Monaten. Bei diesem Aufzuchtssystem trinkt das Kalb sehr viel mehr Milch, was auch in der Wachstumskurve der Kälber zurück zu sehen ist. In der Regel hat der Landwirt mit diesem System weniger Arbeit und gesunderer Kälber, muss aber die Leistungsverminderung akzeptieren. Diese Art Aufzuchtssystem wird als natürlicher gesehen, weil sowohl der notwendige Saugbedarf gestillt wird als auch eine natürliche Interaktion zwischen Mutter und Kind kann entstehen.