Fettleibigkeit, Gesundheit
Schreibe einen Kommentar

Hochverarbeitete Nahrungsmittel sättigen nicht

Take home message

  • Es gibt Bedenken hinsichtlich unserer Essgewohnheiten.
  • Nachdem uns die Lebensmittelindustrie Hand in Hand mit der Wissenschaft reif oder müde gemacht hat für ein Menü mit weniger Fett und Salz, muss sich das wieder ändern: Wir essen heute zu viele hochverarbeitete, zuckerreiche Lebensmittel. Mit großen Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung weltweit.

Fertiggerichte

Ultra-Processed Food (UPF) oder hochverarbeitete Nahrungsmittel sind zusammengestellte Packungen und Saucen, die man als Fertigprodukt im Supermarkt kauft. Nicht so sehr die Tüte mit vorgeschnittenen und gemischten Salaten, sondern die Fertiggerichte; ein wenig Wasser hinzugeben, einfach ein paar magere Hähnchenschenkel anbraten und das Essen steht innerhalb von 10 Minuten auf dem Tisch. Wenn man noch zuckerhaltige, energieerzeugende Getränke hinzufügt, ist die Wurzel des Problems gefunden: die Menge an raffiniertem Zucker und das verarbeitete Pflanzenöl.

Es wird ständig schlimmer, wann es um die Zunahme der nicht-infektiösen Krankheiten (non communicable diseases) geht, wie zum Beispiel Übergewicht, ein dauerhaft niedriges Entzündungsniveau, Fettlebererkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch Demenz und Autismus. Wohlstandskrankheiten, von denen uns die Industrie allzu gerne glauben machen möchte, dass sie eher auf Bewegungsmangel als auf die Zusammensetzung ihrer Nahrungsmittel zurückzuführen sind. Nach der industriellen Werbung ist die Aufnahme von zu vielen Kalorien verantwortlich, und wer sich zu wenig bewegt, wer zu dick wurde, war wirklich selbst schuld. Wegen der Lobby der Industrie konnte auch Michelle Obama in ihrer Zeit als First Lady nicht mehr tun, als zu „move more“ zu ermutigen. Weiter durfte sie nicht gehen.

Fertiggerichte oder selbst kochen?

In Amerika wurde eine Studie mit Probanden durchgeführt (Hall et al., 2019). Unter kontrollierten Bedingungen wurden leicht übergewichtige Erwachsene (31 Jahre alt, BMI = 27) vier Wochen lang beobachtet. Ihnen wurden jeweils zwei Wochen lang zwei Arten von Diäten präsentiert: (1) basierend auf UPF-Zutaten (sprich: hochverarbeitet) und (2) basierend auf „normalen“ Grundnahrungsmitteln (sprich: unverarbeitet). Die Probanden wurden gebeten, drei Mahlzeiten zu sich zu nehmen, und dabei so viel oder so wenig zu essen, bis man sich satt fühlte. Ihr Magen und Ihr Sättigungsgefühl bestimmten also, wie viel jeder am Ende essen wollte.

Es war für die Forscher eine harte Aufgabe, die beiden Diäten in ihrer Zusammensetzung völlig ähnlich zu machen, und Hall et al., (2019) schreiben darüber: „obwohl wir versucht haben, unterschiedliche Ernährungsparameter zwischen den Diäten abzugleichen, waren einige Merkmale jedoch unterschiedlich. Die hochverarbeiteten und unverarbeitete Mahlzeiten unterscheiden sich bedeutend im Verhältnis von: zugesetztem Zucker zum Gesamtzucker (54 % vs. 1 %), unverdauliche zu Gesamtfaser (16 % vs. 77 %), gesättigt zu Gesamtfett (34 % vs. 19 %) und das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren (11:1 vs. 5:1).“ Mit anderen Worten, hochverarbeitete Lebensmittel zeichnen sich durch die Zugabe aller Arten von Zucker, wenig bis gar keine Ballaststoffe, einen hohen Gehalt an gesättigtem Fett und durch ein starkes Ungleichgewicht in n6/n3 aus. Wie die Lebensmittelindustrie das schafft, ist manchmal nicht nachvollziehbar, da die Mahlzeitkosten für die täglichen 2000 kcal für die hochverarbeiteten Lebensmittel nur 2/3 der unverarbeiteten Lebensmittel betrugen. Diese milliardenschwere Industrie liefert also Lebensmittel zu einem Preis, für den man nicht mehr kochen kann oder will. Die Frage ist, wer oder welche Gruppen oder welcher Teil der Natur dafür den Preis zahlen.

Was machen hochverarbeitete Lebensmittel mit uns?

Erstens werden Sie mehr davon essen. In der Phase der hochverarbeiteten Nahrungsmittel nahmen die Probanden im Durchschnitt fast 500 kcal/Tag mehr zu sich als in der Phase der unverarbeiteten Lebensmittel (Hall et al., 2019). Die zusätzliche Energie kam von der höheren Aufnahme von Zucker und Fett. Hochverarbeitete Nahrungsmittel haben eine höhere Energiedichte, enthalten also viele Kalorien pro Bissen. Das ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff „Nährstoffdichte“, die ein Merkmal dafür ist, wie viele Mineralstoffe, Spurenelemente und sekundäre Pflanzenstoffe (z. B. Antioxidantien) in Lebensmitteln enthalten sind. Energiedichte Nahrungsmittel sind leer – man nimmt hauptsächlich Kalorien auf. Auch ist der Salzgehalt bei der ultra-verarbeiteten Kost stark erhöht.

Übrigens sind in den USA die gekauften Portionen, ob Hamburger, Coca Cola oder Chicken Nuggets, im Laufe der Jahre immer größer geworden. Vielleicht bestätigt dies das Bild, dass solche hochverarbeiteten Nahrungsmittel nicht mehr oder nicht genug sättigen und die Menschen daher dazu neigen, ständig mehr Nahrung aufzunehmen; in jedem Fall mehr Einnahme um das Gewicht oder physiologisches Funktionieren zu halten. Die Gruppe, die hochverarbeitete Nahrungsmittel aß, aß auch schneller; in kürzerer Zeit nahmen die Menschen mehr Kalorien auf. Man wird gierig von dieser Art von Nahrung.

Zweitens nahmen die Menschen in den zwei Wochen der Einnahme von hochverarbeiteten Nahrungsmitteln an Gewicht zu. Auch nicht zu wenig: Die Menschen nahmen fast 1 kg (900 Gramm) an Gewicht zu, während in der Zeit der unverarbeiteten Lebensmittel das Gegenteil eintrat (- 1 kg). Es gab eine starke Korrelation mit der Menge an Kalorien, die jeder Proband zu sich nahm: je mehr, desto fetter wurde man. Parallel dazu fand man eine Zunahme der Fettmasse um etwa 0,4 kg, aber auch der fettfreien Masse (+ 0,5 kg), (Abb. 1). Bei einem Körperscan konnte kein Unterschied in der Fettleberbildung festgestellt werden.

Abb. 1. Die Zunahme oder Abnahme von Gewicht, Fettmasse und fettfreier Körpermasse, jeweils nach einer zweiwöchigen Diät mit hochverarbeiteten oder unverarbeiteten Lebensmitteln (entnommen aus: Hall et al., 2019)

Drittens: Es gab zwei Hormone im Blut, die das „Sättigungsgefühl“ ausdrücken, (1) das Hormon PYY ist ein Maß dafür, ob „man Hunger hat“ und (2) das Hormon Ghrelin ist als „Hungerhormon“ bekannt. Beide Hormone waren niedriger, wenn unverarbeitete Lebensmittel gegessen wurden. Mit anderen Worten: weniger Appetit und weniger Hungergefühl. Wichtige Blutwerte rund um Typ-2-Diabetes waren niedriger, nämlich die Glukose („fasting glucose“) und das Hormon Insulin, das den Blutzuckerspiegel reguliert.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass beim Verzehr von hochverarbeiteten Nahrungsmitteln eine gewisse Sucht auftritt (siehe auch: Monteiro et al., 2022), die zu Überkonsum, Hungergefühl und allmählicher Gewichtszunahme mit allen damit verbundenen immunologischen Problemen führt.

Folgen für die kommenden Generationen

Eine zweite Studie untersucht die Folgen für das ungeborene Kind. Schwangere Mütter notierten ihre Ernährung mit einem Schwerpunkt auf dem Anteil hochverarbeiteter Nahrungsmittel. Es handelt sich um eine niederländische Studie, die über Erasmus MC durchgeführt wurde (Smit et al., 2022). Mittels dreidimensionalem Ultraschall wird bei 700 Schwangeren die Länge des ungeborenen Kindes gemessen. Der Anteil Kalorien (Energie), die die Mütter aus UPF aufnehmen, ist sehr unterschiedlich: 16 % bis 88 %. Nach Korrektur verschiedener Einflussfaktoren errechnete das Modell eine signifikante Beziehung zwischen der UPF-Einnahme und der Größe des Kindes. Diese Beziehung war jedoch negativ: je mehr UPF, desto kleiner das Baby. In der Anwendung von statistischen Modellen kann man unterschiedliche Faktoren einbeziehen oder ausschließen. Wenn man von einem Modell zum nächsten wechselt, findet man heraus, ob bestimmte Faktoren wirklich am Ergebnis beteiligt sind. Interessanterweise verschwand die Korrelation in einem Modell, in dem weitere Korrekturen für die Aufnahme von Vitaminen (insbesondere der B-Vitamine plus Zink) vorgenommen wurden. Das ist ein Hinweis dafür, dass diese Vitamine für das Ergebnis wichtig sind und dass das negative Ergebnis des UPF sozusagen durch die unterschiedliche Aufnahme von Vitaminen korrigiert (teilweise erklärt) wird. Um die Folgen der Diät abzuschätzen, wurde die Auskunft mit anderer pränataler Forschung verglichen: „die UPF-Energieaufnahme in der Schwangerschaft ist in Bezug auf die negative Effektgröße (kleineres Kind) mit dem Rauchen von mehr als 10 Zigaretten am Tag vergleichbar.“

Weston A Price

Wir haben hier schon früher, aber nie genug, über die beeindruckende Forschungsarbeit des Zahnarztes Weston Price geschrieben. Price wollte wissen, wie Menschen über Generationen hinweg ohne die Anwesenheit von Ärzten und Zahnärzten gesund blieben. Nach 10 Jahren der Erforschung des Lebensstils von mehr als 15 traditionell lebenden indigenen Völkern kam er zu dem Schluss, dass diese Menschen durch den Verzehr unverarbeiteter Produkte gesund blieben, wobei der Schwerpunkt auf fermentierten Lebensmitteln lag. Tierische Produkte waren beliebt, aber davon hatten die Menschen, mit Ausnahme der Inuit, meist nicht viel. Es wurde auf eine spezielle Ernährung während der Schwangerschaft geachtet, die sich durch den Verzehr spezieller Produkte, die reich an Omega-3-Fettsäuren und fettlöslichen Vitaminen sind, auszeichnet.

Die Ernährung und Lebensweise der Naturvölker lässt sich zusammenfassen mit dem Verzehr lokaler, frischer, selbst hergestellter Produkte, Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte, reich an Probiotika und Postbiotika durch Fermentation. Problemschwangerschaften und non-communicable diseases waren damals unbekannt. Weniger als 100 Jahre später ernährt ein großer Teil der Weltbevölkerung sich mit toten Nahrungsmitteln. Diese werden aus aller Welt zusammengetragen, veredelt, und industriell weiterverarbeitet. Aus Profitgründen werden von börsennotierten Unternehmen minderwertige Nahrungsmittel verkauft. Nicht die „Nährstoffdichte“, sondern die „Energiedichte“ ist ein Merkmal des UPF, kein Lebensmittel reich an Bakterien und Nährstoffen, sondern ein abgespecktes, zusammengesetztes, totes Nahrungsmittel voller versteckter Zucker. Monteiro et al. (2022) charakterisieren den UPF wie folgt: „Übliche Zutaten hochverarbeiteter Nahrungsmittel sind billige Proteinquellen, wie Soja und andere Pflanzenextrakte; modifizierte Stärken und Zucker wie Maltodextrin, Fructose-Maissirup und Invertzucker; und modifizierte Pflanzenöle. Solche Mischungen würden an sich ein unangenehmes oder sogar ekelhaftes Gefühl hervorrufen, was durch die Zugabe von Aromen, Farbstoffen sowie Geschmacksverstärkern und vielen anderen Zusatzstoffen ausgeglichen werden muss. Alle diese Zusätze wurden nicht auf Suchtpotenzial oder ihre Auswirkungen auf die Gehirnfunktion überprüft. Einige Zusatzstoffe werden von den Herstellern absichtlich verwendet, um ein „Verlangen“ hervorzurufen. Insbesondere die zugesetzten Aromastoffe können zu Überernährung (Overeating) und „Essen nur um des Essens willen“ (Esssucht) und damit zu einer Gewichtszunahme führen. Normalerweise gibt es eine physiologische Bremse gegen übermäßiges Essen, aber diese Rückkopplung wird durch hochverarbeitete Nahrungsmittel eliminiert.“

Literatur

  • Hall, K. D., Ayuketah, A., Brychta, R., Cai, H., Cassimatis, T., Chen, K. Y., … & Zhou, M. (2019). Ultra-processed diets cause excess calorie intake and weight gain: an inpatient randomized controlled trial of ad libitum food intake. Cell metabolism, 30(1), 67-77.
  • Monteiro, C. A., & Cannon, G. (2022). The foods that are addictive. Addiction.
  • Smit, A. J., Hojeij, B., Rousian, M., Schoenmakers, S., Willemsen, S. P., Steegers-Theunissen, R. P., & van Rossem, L. (2022). A high periconceptional maternal ultra-processed food consumption impairs embryonic growth: The Rotterdam periconceptional cohort. Clinical Nutrition.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.