Fermentierte Milchprodukte, Milch
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Was nennt man alles Kefir?

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  • Kefir ist als Getränk nicht wirklich gut definiert und es gibt einen großen Unterschied zwischen Kefir auf der Basis kommerzieller Kulturen (manchmal mit, manchmal ohne Hefen) und Kefir, der mit Kefirknollen hergestellt wird.
  • Die Art und Weise, wie die Mikroorganismen im Kefir zusammenarbeiten, wachsen und sich vermehren, gibt traditionell hergestelltem Kefir eine andere Bakterien- und Hefe-Zusammensetzung, sowie auch unterschiedliche Stoffwechselprodukte dieser Mikroorganismen.
  • Kommerzieller Kefir ähnelt oft viel mehr dem, was in Joghurt gefunden wird, während Kefir auf Basis der Knollen wirklich eine eigene „Kefir-Zusammensetzung“ hat.

Kefir von SCOBY oder Kefir von einer Kultur?

Deutsche Forscher (Nejati et al., 2022) untersuchten nicht nur die mikrobielle Zusammensetzung von Kefir, sondern auch die im Kefir vorhandenen Stoffwechselprodukte der Bakterien und Hefen: die sogenannten flüchtigen organischen Verbindungen (English: volatile organic compounds oder VOCs). Es gibt etwa 20 VOCs wie Ethanol, Buttersäure, Aceton und Essigsäure, die zu den Ketonen und Aldehyden gehören. Sie tragen zum Geschmack eines Produkts bei.

Dabei wurde zwischen traditionellem Kefir, hergestellt aus Kefirknollen (= Kefirkörnern oder Kefirpilz) oder auch SCOBY genannt (= Symbiotic culture of bacteria and yeast), und kommerziellem Kefir, wie er von den verschiedenen großen Molkereien hergestellt wird, unterschieden. Kommerzieller Kefir wird oft mit einem Kefir-Starter hergestellt, dessen Definition nicht immer klar ist. Typische Bakterien, die in traditionellem Kefir vorkommen, sind Lactobacillus kefiranofaciens und Lactobacillus kefir. Diese finden Sie jedoch nicht in den kommerziellen Startern, die oft aus Lactococcus lactis und Leuconostoc bestehen. Ähnliches gilt auch für die Hefen im Kefir, wo anstelle von SCOBY-typischen Hefen wie Kluyveromyces marxianus oder Kazakhstania-Arten häufig Debaryomyces hansenii in kommerziellen Kefirs verwendet wird. Oft werden wegen der Gasbildung in dem fertigen Produkt gar keine Hefen verwendet, weil sonst die Verpackung bauchig wird.

Auffallend finden die Forscher, dass sich die Gruppe der traditionellen Kefir-Arten in Bezug auf die VOC sehr ähnlich ist, sich aber stark von der Gruppe der kommerziellen Kefir-Arten unterscheidet. Darüber hinaus ist die VOC-Zusammensetzung von handelsüblichem Kefir der Zusammensetzung der beiden analysierten Joghurts und der Milch ähnlicher als die von traditionell hergestelltem Kefir. So fehlt bei kommerziellem Kefir, Joghurt und Milch der kefirtypische erhöhte Ethanol- bzw. Alkoholgehalt.

Auch wurde untersucht, wie stark Milchzucker (Laktose) abgebaut wird. Laktose wird in Glukose und Galaktose gespalten, die von Bakterien und Pilzen als Energiequelle genutzt werden. Milchsäure wird aus Laktose hergestellt, die wiederum eine Quelle für bestimmte Pilze ist, die sich von Laktat und nicht von Laktose ernähren.

Tabelle 1. Unterschiedliche Gehalte in Milch (n=1), traditionellem Kefir nach 24h bzw. 48h Fermentation (Anzahl n=5) und kommerziellem Kefir (n=3)

 Laktose (g/L)Glukose (mg/L)Galaktose (mg/L)Laktat (g/L)Azetat (mg/L)Glyzerol (mg/L)
Milch47980000
Traditioneller Kefir 24h371662152358199
Traditioneller Kefir 48h2132214781412
Kommerzieller Kefir4245605771326

Aus der Tabelle lässt sich Einiges ablesen. Die Laktose in der Milch wird in traditionellem Kefir stärker abgebaut als in handelsüblichem Kefir, und außerdem verschwindet mehr Laktose, wenn der Kefir-Herstellungsprozess 2 Tage statt einen Tag dauert. Man kann sehen, dass die Mikroorganismen Laktose (12 Kohlenstoff-Atome) in Glukose (6C) und Galaktose (6C) umwandeln. Glukose ist die Hauptenergiequelle für Bakterien und viele Pilze. Galaktose wird im traditionellen Kefir für den Aufbau von Kefiran, dem Exopolysaccharid-Skelett, der Koralle der Kefirkörner, verwendet. Kefiran ist in kommerziellem Kefir nicht vorhanden. Wie im handelsüblichen Kefir ist Galaktose auch im Joghurt hoch, da die Joghurtbakterien keine Galaktose verbrauchen. Laktat (Milchsäure) fehlt in normaler süßer Milch, ist aber im Kefir erhöht. Kefir aus Knollen wird nachgesagt, dass er weniger Laktat hat als handelsüblicher Kefir, denn Hefen wie Kluyveromyces marxianus verwenden Laktat als Energiequelle: Laktat verschwindet wieder. Das passiert bei kommerziellem Kefir nicht. Essigsäure als Stoffwechselprodukt entspricht der Menge an Laktose. Der hohe Gehalt an Glycerin erklärt sich durch die Aktivität der Hefen, die in traditionellem Kefir vorhanden sind. Dies hängt von der Hefe-Art in dem Kefir ab.

Fazit: Kefir-Arten unterscheiden sich dadurch, dass sie sich in ihrer Zusammensetzung auf Kefirknollen zurückführen lassen oder nicht. Die Herstellungszeit beeinflusst auch den traditionellen Kefir, denn nach den ersten 24 Fermentationsstunden nimmt die Aktivität der Hefen und Pilze noch zu.

Literatur

  • Nejati, F., Capitain, C. C., Krause, J. L., Kang, G. U., Riedel, R., Chang, H. D., … & Neubauer, P. (2022). Traditional Grain-Based vs. Commercial Milk Kefirs, How Different Are They? Applied Sciences, 12(8), 3838.

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