Kuhrassen und Proteine, Milch, Qualität, Weidehaltung und Fettsäure
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Kuh und Klima

Die Forschung identifiziert Wiederkäuer als Tiere, die einen wesentlichen Beitrag zu unseren Klimaproblemen leisten. Durch die Abgabe von Gasen aus dem Pansen der Kuh wird beim Wiederkäuen Methangas (CH4) freigesetzt, ein stärkeres Treibhausgas als CO2. Neben diesen Kohlenstoffprodukten (C) gibt es die Stickstoffprodukte (N), die auch ein Problem für die Umwelt darstellen: N2O, NO3 und NH3. Durch die Treibhausgase leistet die Kuh einen umfangreichen Beitrag zur Umweltbelastung durch die Landwirtschaft. Der Einzige, der etwas dagegen tun kann, ist natürlich der Mensch, nicht die Kuh. Das Tier hat keine Ahnung, wie es für unsere Bedarfsdeckung eingesetzt wird: Milch, Fleisch und Leder. Der Mensch richtet das System ein.

Das Betriebssystem der Zukunft

Milchkühe werden immer größer und schmaler gezüchtet. Landwirte und Tierärzte bereiten sich auf Ställe vor, wo die Kühe mehr als 20.000 kg Milch im Jahr produzieren. Um herauszufinden, ob dies die richtige Wahl ist, haben Kieler Forscher die Auswirkungen verschiedener Milchviehbetriebe auf die Umwelt untersucht (Reinsch et al., 2021). Die Merkmale der Unternehmen aus Schleswig-Holstein sind in den Tabellen 1 und 2 vorgestellt.

Tabelle 1. Betriebsmerkmale von vier unterschiedlichen Höfen mit dem Hauptzweig Milchwirtschaft (abgeleitet von Reinsch et al., 2021).

MerkmaleKonventionellKonventionell plusPure grazeGemischt
ProduktionMilch; MaisMilch; viel Mais;
Stallfütterung
MilchMilch/ Ackerbau
KuhrasseHolsteinHolsteinKreuzungJersey
Gewicht Kuh (kg)650650540450
WeidegangTagsüberKeinerTag/ NachtTag/ Nacht
Beweidung (Tage/Jahr)800256292
Viehbesatz (GVE/ha Futterfläche)1.61.81.31.4
Anteil Maissilage (%)144600
Anteil Gras/ Klee (%)86538999

Spalte „Konventionell“ enthält Daten eines Hofes, die als Referenz für den durchschnittlichen Milchviehbetrieb der Region dient. Spalte „Konventionell plus“ ist eine weitere Intensivierung von Spalte 2: mehr Milch pro Kuh aus dem Hinblick der Effizienzerhöhung. Spalte „Pure graze“ zeigt einen Hof, der einen anderen Ausweg gefunden hat und möglichst viel Milch aus Gras produziert (geringerer Aufwand, geringe Kosten). Es sind die Betriebe, die man oft in Irland, England und Neuseeland sieht. Die letzte Spalte „Gemischt“ zeigt einen Hof, der noch einen Schritt weiter geht und auf dem neben Milch in begrenztem Umfang Ackerfrüchte für den direkten menschlichen Verzehr produziert werden. Neben Dauergrünland stehen hier auch 2-jährige Kunstrasen mit Gras/Klee zur Verfügung. Die letzten beiden Betriebe weisen alle Merkmale eines spezialisierten Bio-Milchviehbetriebes und eines gemischten Bio-Milchviehbetriebes auf.

Die Forscher haben zahlreiche Messungen durchgeführt, um die Mineralflüsse in jedem Hof zu berechnen. Wo bleibt der Stickstoff? Wo treten unvermeidbare Verluste auf? Wie wird Stickstoff gespeichert und weitergegeben? Tabelle 2 fasst die endgültigen Ergebnisse in Bezug auf den Carbon Footprint, basierend auf den Verlusten von Treibhausgasen (THG), zusammen. Forscher rechnen alle Gase (CO2, CH4, NO2 und NH3)im Vergleich zur Wirkung von CO2 um und bezeichnen sie daher als CO2-Äquivalente (CO2eq), die zusammengefassten Treibhausgase. Die Stickstoffflüsse werden in der Bilanz zwischen Input, Festlegung und Output, und Verlusten zusammengefasst.

Tabelle 2. Merkmale der Milchproduktion und Umweltauswirkungen von vier Milchviehbetrieben in Schleswig-Holstein.

Milch und UmweltKonventionellKonventionell plusPure grazeGemischt
Kg Milch (ECM/ Kuh.Jahr)9.50011.2006.1006.900
Kg Milch (ECM/ ha)11.50015.8007.40010.400
Aufnahme (kg TM/ Kuh.Tag)21,424,016,616,8
Kraftfutter (kg TM/ Kuh.Tag)6,68,50,52,5
Carbon footprint (CO2eq/ kg ECM)1,21,10,90,6
Carbon footprint (CO2eq/ kg ha)141776
N-input (kg N/ ha.Jahr)265349155180
N-output (kg N/ ha.Jahr)6512062131
N Bilanz (kg/ ha)2002299450

Wie in Tabelle 1 gibt es eine Zweiteilung in den Umweltergebnissen. Durch den vollständigen Verzicht auf die Beweidung und die Wahl einer hohen Leistung pro Kuh und pro Hektar sind die Milchleistungen am höchsten bei „Konventionell und Konventionell plus“. Der ökologische Fußabdruck in Bezug auf die Treibhausgase pro kg Milch und Hektar zeigen aber ein ungünstiges Bild, und die Emissionen sind höher als bei den beiden extensiven Betrieben. Dies liegt daran, dass die Kühe permanent im Stall sind und es im Stall, in der Güllelagerung und beim Ausbringen von Mist zu zahlreichen Verlusten kommt. Um die Leistungssteigerung pro Kuh zu erreichen, verfüttert der „Konventionell Plus“ Betrieb noch mehr Kraftfutter als in „Konventionell“. Weil das Kraftfutter von außerhalb des Betriebes zugeführt wird, ist auch die N-Bilanz des Betriebes („Konventionell Plus“) eher ungünstig.

Die Weidebetriebe zeigen ein anderes Bild. Auf dem Hof „pure graze“ wird pro Kuh deutlich weniger Milch produziert als „Konventionell“. Dafür gibt es mehrere Gründe: es wird kein Silomais angebaut und es wird praktisch kein Kraftfutter verwendet. Die Kühe haben eine sehr lange Weidezeit und sind in Größe und Gewicht kleiner. Im Hinblick auf die Umwelt ist der CO2-Fußabdruck pro Liter Milch und pro Hektar Futterfläche besser als bei den ersten beiden Höfen. Auch die Stickstoff-Bilanz sieht günstig aus. N aus Kunstdünger wird nicht verwendet und die Güllemenge, die gelagert und ausgebracht werden muss, ist gering. Die Kühe produzieren ihren Kot im Freien, wobei Kot und Urin an verschiedenen Stellen ausgeschieden werden, und daher größtenteils vom Gras verwertet nicht als Gülle ins Lager gelangen. Gülle führt zu erhöhten NH3-Verlusten. Der „Mischbetrieb“ ist eine Art Superlativ des reinen Weidebetriebes. Die Dauergrünlandfläche wurde durch Gras/Klee in der Fruchtfolge erweitert, in der der gebundene Stickstoff nach dem Umbruch der Narbe von anderen Kulturen (Getreide, usw.) genutzt wird. Die Milchproduktion in dem Mischbetrieb ist etwas höher als im reinen Weidebetrieb, ebenso die Gesamtproduktion von N als Milch und Ackerfrüchten. Der Erfolg von Betrieben, die aus Gras produzieren, wird zum Teil von der Länge der Saison und ausreichenden Mengen an Niederschlag bestimmt. Es sind Milchviehbetriebe mit einem saisonalen Muster und einer im Frühjahr kalbenden Herde.

Der Mehrwert von Weidemilch

Im Folgenden werden einige diskussionsrelevante Aspekte der Milchwirtschaft genannt: Fettsäuren, Biodiversität, Produktqualität und Bodenfruchtbarkeit.

Fettsäuren: Wir haben an anderer Stelle dargestellt, dass ein besseres Fettsäuremuster (hohes n3, gutes n6/n3-Verhältnis, hoher CLA-Gehalt) mit der Fütterung von viel frischem Gras, wenig oder keinem Kraftfutter und keinem Silomais zusammenhängt. Dies wird erreicht in Betrieben auf der Basis von Dauergrünland und Kunstwiesen mit Leguminosen (Rot- und Weißklee). Eine Kuh, die im Frühjahr kalbt, kann etwa 5.000-6.500 kg Milch/Jahr produzieren, mehr als 90-95% aus Gras-(Klee-)Produkten. Neuseeländische Forscher berechnen, dass etwa ¾ des Energiebedarfs der Milchleistung der weidenden Kuh durch frisches Weidegras gedeckt wird (Duranovich et al., 2021). Der Rest besteht aus konserviertem Gras, Rüben etc. Eine gezielte Düngung im Frühjahr sorgt dafür, dass den Tieren möglichst früh im Jahr frisches Gras zur Verfügung steht. Diese Systeme funktionieren am besten in gemäßigten Küsten- und Berggebieten mit ausreichendem Niederschlag. In Neuseeland hat man sich, sowie in dem Pure graze Betrieb, für kleinere, leichtere Kühe entschieden. Erstens kann so eine kleine Kuh das Grünland auch bei viel Niederschlag weiter beweiden (weniger Trampeln, weniger Gefahr, dass Hänge abrutschen) und zweitens kommen diese Kühe besser mit einem schwankenden Futterangebot zurecht.

Biodiversität: Da das Dauergrünland einen natürlicheren Charakter hat, steigt die Biodiversität. Vor allem in den höher angesiedelten Bergregionen findet man Alt-Rasen mit einer sehr hohen Artenvielfalt. Dauergrünland findet man eher in Regionen mit hohen Grundwasserständen, auf schweren Lehm- und Ton-Böden und Niedermoorflächen. Dauergrünland kombiniert mit ökologischem Landbau bietet nicht nur eine Vielfalt an Gräsern und Kräutern, sondern bietet auch Platz für Insekten und Weidevögel. Die Beweidung ist bei dieser Art von Betrieb traditionell vorhanden.

Produktqualität: Van Vliet et al. (2021) identifizieren die Unterschiede in der Milch- und Fleischqualität zwischen Kühen, die Gras aufnehmen gegenüber Tieren, die von Mais, Silage und Getreide leben. Erstere gehören zu System 3 und 4 oben, letztere zu 1 und 2 in Tabelle 1 und 2. Die Autoren diskutieren nicht nur die Unterschiede bei Fettsäuren, sondern auch bei allen möglichen pflanzenverwandten Inhaltsstoffen (Inhaltstoffe wie Terpene, Carotinoide und Phenole). Sie weisen auf ihre Wirkung als natürliche Antioxidantien und ihre immunhemmenden Eigenschaften hin. Solche Inhaltsstoffe findet man hauptsächlich in naturbelasseneren Grünlandregionen. In einigen Ländern besteht bereits Interesse an der Aussaat von Arten wie Spitzwegerich und Chicorée bei der Grünlanderneuerung. Obwohl der Umbruch der Narbe einen Verlust für die natürliche Umwelt bedeutet, kann ein Landwirt durch die Wahl der Kräuterarten in den Mischungen etwas an Diversität kompensieren. Die Auswahl der Kräuter ist vor allem auch für die Gesundheit der Tiere gedacht.

Aufbau der Bodenfruchtbarkeit: Die Diskussion über Stickstoffüberschuss und Nitratbelastung ändert sich, wenn die Kuh nicht nur wegen Milch und Fleisch gehalten wird, sondern auch für ihren Mist. Für die Entwicklung der Bodenfruchtbarkeit im Ökologischen Landbau ist tierischer Mist von großer Bedeutung. Vor 1850 war das Problem viel mehr, dass Gülle, Mist und Jauche nur begrenzt vorhanden waren. Damalige Bauern der Sandregionen reizten ihre Kühe, hauptsächlich im Stall zu koten, bevor sie aufs Land gebracht wurden. Es wäre schade gewesen, wenn der Kot irgendwo auf der Straße gelandet wäre. Heutzutage wissen wir nicht wohin mit all dem tierischen Dung. Vor allem unter dem Aspekt der ökologischen Kreislaufwirtschaft versucht der Landwirt den Kuhmist durch Kompostierung und Zugabe von Stroh und Erde zu verbessern. In Zeiten vor dem Zweiten Weltkrieg wurde noch geforscht, wie man in Bezug auf Anwendungszeitpunkt und Bodenart am besten und effizientesten Mist und Jauche anwenden konnte (Kolenbrander und De la Lande Cremer, 1967).

Optimierung auf mehreren Ebenen

Es sollte klar sein, dass nicht in allen Aspekten (Milchmenge, Milchqualität, Bodenaufbau, Emissionen, Biodiversität) das Maximum erreicht werden kann. Jedes Unternehmen, jedes System macht Zugeständnisse durch Bodenbedingungen und Landschaft, Milchpreis, aber auch durch Arbeitseinsatz und persönliche Interessen. Ein wachsendes Problem besteht darin, dass der einmal angetretene Weg eines Landwirts oft schwer oder gar nicht mehr zu ändern ist. Der Unternehmensstil „Konventionell“ und „Konventionell plus“ lässt sich nicht einfach in den Unternehmensstil „Pure graze“ und „Gemischt“ umwandeln. Zwischen den Gewinnmodellen in diesen Systemen liegen Welten. Dennoch muss etwas getan werden. Die Energiewende steht unmittelbar vor der Tür und es ist höchst fraglich, ob nur ein Wechsel des Energieträgers (von Kohle und Gas auf Wind und Sonne) ausreicht. Ein Rückgang unseres Verbrauchs und eine Entscheidung für Qualität und Gesundheit bringen oft mehr für die Umwelt als Strom aus einer saubereren Energiequelle.

Literatur

  • Duranovich, F., López-Villalobos, N., Shadbolt, N., Draganova, I., Yule, I., & Morris, S. (2021). The deviation between dairy cow metabolizable energy requirements and pasture supply on a dairy farm using proximal hyperspectral sensing. Agriculture, 11(3), 240.
  • Kolenbrander, G. J., & De la Lande Cremer, L. C. N. (1967). Stalmest en gier: waarde en mogelijkheden. Veenman & Zonen.
  • Reinsch, T., Loza, C., Malisch, C. S., Vogeler, I., Kluß, C., Loges, R., & Taube, F. (2021). Toward Specialized or Integrated Systems in Northwest Europe: On-Farm Eco-Efficiency of Dairy Farming in Germany. Frontiers in Sustainable Food Systems, 5, 167.
  • Rotz, C. A., Holly, M., de Long, A., Egan, F., & Kleinman, P. J. (2020). An environmental assessment of grass-based dairy production in the northeastern United States. Agricultural Systems, 184, 102887.
  • Van Vliet, S., Provenza, F. D., & Kronberg, S. L. (2021). Health-promoting phytonutrients are higher in grass-fed meat and milk. Frontiers in Sustainable Food Systems, 4, 299.

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