Weltweit gibt es mehrere Beispiele, wo der Konsum von frischer, unbehandelter Milch erlaubt ist. Es wird darauf geachtet, dass die Menschen keine unnötigen Risiken eingehen und die Milchbauern ihr Möglichstes tun, um sichere Lebensmittel auf den Markt zu bringen. Die Unterschiede zwischen Ländern Europas und sogar zwischen Staaten in den USA sind groß. Es gibt Beispiele, wo Milchviehhalter sogar im Gefängnis landen können, wenn sie ihren eigenen Kindern Rohmilch geben. In einigen US-Bundesstaaten wird Rohmilch als „Tiernahrung“ verkauft: Hunde und Katzen dürfen sie trinken, Menschen nicht; in England, zum Beispiel, liefern die Landwirte ihre Rohmilch auch per gekühlter Post aus.
Insbesondere in Deutschland gibt es bereits eine fast 100-jährige Tradition der Rohmilchversorgung, die „für den direkten Verzehr bestimmt“ ist. In Deutschland wird das Angebot der nicht-pasteurisierten Milch in „Vorzugsmilch“ und „Rohmilch“ unterteilt. Vorzugsmilch ist Rohmilch, die absichtlich für den direkten Verzehr hergestellt wird, im Vergleich zu der Rohmilch, die vor dem Verzehr pasteurisiert werden soll. Seltsamerweise spricht man von „Rohmilch“ versus „Konsummilch“ (wärmebehandelte Milch). Als ob Vorzugsmilch nicht zu genießen wäre. Auch in Amerika befasst sich das Raw Milk Institute mit der Sicherheit der Rohmilchproduktion. Hier wurden vergleichbare Standards und Regeln entwickelt, um den Verbraucher zu schützen. Ein drittes Beispiel sind die Verkaufsautomaten, die beispielsweise in Slowenien und Italien entlang der Straße aufgestellt werden, wo Menschen Rohmilch entnehmen können. In Italien werden die Landwirte angeleitet, wie man unter hygienischen Bedingungen produziert, und von Veterinären überwacht. Vorzugsmilch wird in Deutschland von den lokalen Veterinärämtern überprüft, wobei auf Hygiene und Gesundheit der Tiere und der Stallung geschaut wird.
Wenn man die in diesen Ländern unterhaltenen Steuerungssysteme vergleicht, fällt auf, dass das Rohmilchangebot auf verschiedenen Ebenen überprüft wird:
- Kühlprozess und Kühlkette; Temperaturen sollten unter 4oC bleiben
- Hygiene und Sauberkeit beim Melken und Reinigen; hier liegt die höchste Priorität, wann es um die niedrigsten Keimzahlen geht
- Eutergesundheit, Mastitis; hier geht es vor allem um das Vorbeugen der Staph.aureus- Infektion
- Import neuer Tiere in die Herde; man will vermeiden, dass über neu gekaufte Tiere Krankheiten eingeschleppt werden
- Zoonotische Krankheiten; es soll vermieden werden, dass Tierkrankheiten auf Menschen übertragen werden
Vorzugsmilch in Deutschland
Vorzugsmilch kommt vom Verb bevorzugen. Diese Milch wurde damals beworben als „Kind-Milch“, „Kranken-Milch“ oder „Sanitäts-Milch“, sogar ärztlich empfohlen. Das Vorzugsmilchgesetz stammt aus der Zeit der Tuberkulose-Ansteckung der Rohmilch. Kranke Menschen husteten die Bakterien in den Melkeimer, und aufgrund solcher Milch erkrankten viele kleine Kinder. Daher schaute man bei den ersten Kontrollen von Vorzugsmilch, dass keine Tuberkulose-Bakterien enthalten waren. Außerdem arbeiteten die Milchviehbetriebe viel hygienischer als die meisten anderen Unternehmen, weshalb diese Milch als „sicher“ eingestuft wurde.
Vorzugsmilch-Kindermilch-Kurmilch, ärztlich empfohlen! Dieser Vorzugsmilchbetrieb lag in der Gemeinde Bremen, wo es bis in der 1960er Jahren etwa 15 Vorzugsmilchbetriebe am Stadtrand gab. Von da aus wurde täglich frische Milch in der Stadt verteilt.
In der Geschichte der deutschen Vorzugsmilch wurden folgende Bewertungskriterien und Messungen vorgenommen:
Bestimmung | Zweck – Anzeige |
Keimzahl | Sauberkeit beim Melken, sauberes Euter, gute Reinigung der Melkausrüstung |
Enterococci | Idem, kann auch ein Hinweis auf die Bildung von Biofilmen sein |
Staphyloccoccus aureus | Eutergesundheit |
Streptococcus agalactiae | Eutergesundheit |
Alkalische Phosphatase | Betrug; Beweis, dass die Milch nicht erhitzt wurde |
Zoönotische Bakterien: | |
Salmonella, Campylobacter, Listeria, EHEC, ….. | In einem bestimmten Milchvolumen kann kein einziger Keim gefunden werden |
Temperatur | Die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden und die Milch muss schnell auf 4 °C gebracht werden |
Frische | Die kurze Zeit zwischen Produktion und Verbrauch muss Frische garantieren, maximal 96 Stunden wird als Haltbarkeit akzeptiert |
Die Milchviehbetriebe, die Vorzugsmilch anbieten, reichen jeden Monat eine Milchprobe ein, die in den Landeslaboren geprüft werden. Verstöße gegen gesetzlich festgelegte Normwerte führen zu Warnungen, erneuter Beprobung und dem Recht, ein Lieferverbot zu verhängen, bis das Unternehmen die Werte wieder in Ordnung gebracht hat. Darüber hinaus werden die Kühe regelmäßig auf Eutergesundheit untersucht, und bei neu in die Herde aufgenommenen Tieren müssen Viertelgemelksproben bakteriologisch untersucht werden. Alle diese Maßnahmen sind darauf ausgelegt, Risiken zu minimieren. Für Lebensmittel kann aber keine 100%-ige Sicherheit garantiert werden, auch nicht wenn die Milch pasteurisiert ist. Das System der Vorzugsmilch ist eins der sichersten Rohmilchliefersysteme.
Milchviehbetriebe, die dem amerikanischen Raw Milk Institute angeschlossen sind, aber auch italienische Unternehmen, die Milch über den Milchautomaten liefern, prüfen die Sicherheit von frischer, unbehandelter Milch bereits in ähnlicher Weise wie die Vorzugsmilch in Bezug auf Bakterien.
Foto: Milch zur Herstellung von Rohmilch-Bergkäse, Alp Zillis (Ch)